Neue Steuer verfehlt ihr Ziel

Die Zweitwohnungssteuer in Nettetal soll für zusätzliche Einnahmen der Stadt sorgen. Stattdessen meldeten viele ihren zweiten Wohnsitz in Nettetal ab — vor allem Studenten.

Neue Steuer verfehlt ihr Ziel
Foto: Ullstein

Nettetal. Die Idee, eine Zweitwohnungssteuer in der Stadt zu erheben, scheint nach hinten loszugehen. Denn nicht nur die Studenten, die in Nettetal wohnen, werden zur Kasse gebeten, sondern auch arglose Nettetaler Familien, deren Kinder auswärts studieren und dort wohnen. „Hätten wir das in den Beratungen vor wenigen Monaten in dieser Konsequenz gewusst, ich hätte meine Hand nicht für die Einführung der Steuer gehoben“, sagt ein Ratsmitglied, das nicht genannt werden möchte.

Bürgermeister Christian Wagner möchte das strukturelle Defizit in Höhe von etwa zwei Millionen Euro jährlich in den kommenden Jahren abbauen. Strukturell heißt, dass die Ausgaben ständig höher liegen als die Einnahmen. Also schlug er dem Rat im Herbst vor, die Vergnügungssteuer und die Hundesteuer zu erhöhen sowie Personal und Aufwand an einigen Stellen zu verringern. Das geschah, beispielsweise mit der Schließung des Bürgerservices in Breyell. Mehrheitlich beschloss der Rat die Einführung der Zweitwohnungssteuer. In Nettetal leben etwa 600 Studenten der Hochschule Venlo. Sie könnten der Zweitwohnungssteuer entgehen, indem sie sich mit der Erstwohnung in Nettetal anmelden. Das erhöht die Anzahl der Einwohner und damit die Anteile an Zuweisungen des Landes. Wer sich nicht ummeldet, muss die Zweitwohnungssteuer zahlen. Kämmerer Norbert Müller rechnet mit etwa 50 000 Euro direkter Einnahme, veranschlagt sind sogar 100 000 Euro pro Jahr.

Dumm nur ist, dass dafür auch Nettetaler Familien zur Kasse gebeten werden. Wenn Sohn oder Tochter auswärts studiert und wohnt, fällt zu Hause eine Zweitwohnungssteuer an. Das sei eine „Nebenwirkung im Sinne des Melderechts“, sagt Müller. Denn „Wohnung im Sinne dieser Satzung ist jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird.“

Im Prinzip ermittelt die Stadt die familiären Daten inklusive der Größe des Kinderzimmers. Sie kann anhand des Mietspiegels den theoretischen Mietzins ermitteln und daraus die Steuer ableiten. So erhielten verdutzte Nettetaler Studenten Schreiben aus dem Rathaus mit allerlei Fragen und Hinweisen auf mögliche Konsequenzen. Bis zum 1. Juni werde die Stadt die Steuer erheben. Verschickt wurden Formulare anhand von Daten der Meldekartei, herausgegangen sind etwa 700 Briefe, knapp die Hälfte ist zurückgekommen. Die Begeisterung der Betroffenen hält sich in engen Grenzen. Denn im Durchschnitt dürften 300 bis 400 Euro anfallen — bei einem Kind. Sind mehr Kinder betroffen, wird es teurer. Der Ärger in der Bürgerschaft ist im Rathaus nicht verborgen geblieben. „Die Steuerbescheide sind noch nicht heraus. Wir arbeiten zurzeit an einem Konzept, um mit dem Rat auf eine Linie zu kommen“, sagte Norbert Müller. Da sich die Satzung nach dem Meldegesetz richte, träfen diverse Verwaltungsgerichtsurteile nicht zu, die Studierende und Eltern vor dem Zugriff des kommunalen Fiskus schützen. Einige Nettetaler Eltern haben ihre Kinder abgemeldet, damit sie der Steuer entgehen. Den Einwohnerschwund von dieser Seite hatte man im Rathaus nicht erwartet.

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