Tönisvorst Weltpolitik im kleinen Vorst

Außenminister Gabriel hat die action medeor besucht. Eingeladen hatte ihn Udo Schiefner.

Tönisvorst: Weltpolitik im kleinen Vorst
Foto: Reimann

Vorst. Freitag, 13.40 Uhr — am Sitz der action medeor an der St. Töniser Straße ist es so ruhig wie immer: Kein Mensch ist weit und breit auf der Straße zu sehen, auf dem Parkplatz vor dem Gebäude gibt es gleich mehrere freie Plätze, in der Lobby des Hilfswerks sitzt eine einsame Dame und begrüßt freundlich die wenigen Besucher. Nur einige dunkle Limousinen mit Blaulicht und Berliner Kennzeichen, die in der Nähe des Eingangs stehen, verraten, das heute ein ganz besonderer Tag für medeor ist: Außenminister Sigmar Gabriel ist erstmals zu Gast.

Fast eineinhalb Stunde Zeit hat der Minister dem Hilfswerk eingeräumt. Er schaut sich das Medikamentenlager an, lässt sich eine Hilfslieferung für den Südsudan zeigen, an deren Finanzierung sein Ministerium mit 1,5 Millionen Euro beteiligt ist, hört interessiert den Erläuterungen zu, die Präsident Siegfried Thomaßen und Vorstand Bernd Pastors geben. Dass das Ganze ein Wahlkampftermin ist, den der vielbeschäftigte SPD-Politiker in seinen Terminplan aufgenommen hat, um den heimischen Abgeordneten Udo Schiefner zu unterstützen, spielt nach außen hin keine Rolle.

„Sigmar Gabriel ist hier, um die Wichtigkeit der Arbeit von medeor zu unterstreichen“, sagt Schiefner, Beiratsmitglied beim Hilfswerk, wenig später auf einer kleinen Pressekonferenz am Ende des Besuchs. „Nichts beschäftigt uns so sehr wie das, was Sie hier an den Wänden sehen“, greift Gabriel den Ball auf und verweist auf die Fotos von Einsätzen, die von der action medeor in der Krisengebieten dieser Welt geleistet worden sind. „Ohne diese Hilfe sähe die Lage dort noch viel schlimmer aus“, betont der Außenminister und spricht vom bevorstehenden „afrikanischen Jahrhundert“: In den nächsten Jahrzehnten werde sich die Bevölkerungszahl dort verdoppeln.

Die erste Teilsendung der Hilfe für den Südsudan wird in wenigen Tagen das Vorster Medikamentenlager verlassen. Sie hat einen Umfang von mehr als 60 Tonnen. Auch die „Aktion Deutschland hilft“ ist hier beteiligt. Medeor ist Mitglied dieses Zusammenschlusses von mehr als 20 Hilfsorganisationen, Bernd Pastors hat dort den Vorsitz — und Sigmar Gabriel leitet das Kuratorium. „Ich habe hier heute auch meinen Chef kennengelernt“, sagt der Außenminister und alle lachen.

Dann folgt ein bisschen Weltpolitik im kleinen Vorst. Es geht es um die schwierigen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei, steigende Ausgaben für die Rüstung auf Drängen der USA sowie die Wahlkampfchancen von Martin Schulz. Eine medeor-Mitarbeiterin, die gemeinsam mit Kollegen dazu gestoßen ist, möchte wissen, was der Außenminister zu den geplanten Flüchtlings-Auffanglagern in Libyen zu sagen hat. Gabriel antwortet geduldig, räumt der Mitarbeiterin sogar zusätzliche Zeit ein, obwohl Schiefner und Thomaßen schon Anstalten machen, das Pressegespräch zu beenden.

Dann ist es tatsächlich soweit, Thomaßen überreicht dem Minister zum Abschied eine geschnitzte schwarze Figur aus Tansania, die die „sozialistische Gemeinschaft“ zeige — worauf sich Gabriel ein Grinsen nicht verkneifen kann. Mit einem freundlichen „Tschüss“ ist er durch die Tür, in der Lobby warten schon die Personenschützer. Noch ein paar Hände werden geschüttelt, der Minister steigt in seine Limousine — schon ist er weg.

14.40 Uhr: Udo Schiefner gibt vor der medeor-Zentrale ein letztes Interview. Ansonsten ist kein Mensch mehr zu sehen, es gibt noch mehr freie Parkplätze als eine Stunde zuvor. Der Alltag ist am Sitz des Hilfswerks zurück.

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