Tönisvorst Unternehmer sind oft unzufrieden

Der Standort Tönisvorst hat bei einer IHK-Analyse nicht besonders gut abgeschnitten.

Tönisvorst: Unternehmer sind oft unzufrieden
Foto: IHK; Lübke

Tönisvorst. Wäre die Stadt Tönisvorst ein Schüler, dann wäre jetzt dringend ein Elterngespräch im Lehrerzimmer fällig: Bei der sogenannten Standortanalyse der IHK Mittlerer Niederrhein für die Stadt reichte es allerhöchstens zu mittelprächtigen Noten. Und in einigen Bereichen sieht der Wirtschaftsstandort Tönisvorst im Vergleich zu anderen Städten sogar ausgesprochen blass aus. Dieses Ergebnis konnten die rund 80 Besucher mit nach Hause nehmen, die jetzt zur Vorstellung der Analyse in den Showroom des Tönisvorster Unternehmens fleur ami gekommen waren.

Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein, schienen die vielen Kritikpunkte, die er auflisten musste, selbst unangenehm zu sein: „So schön wie die Umgebung hier sind die Ergebnisse nicht. Ich fühle mich schon ganz unwohl“, bekannte er bei der Vorstellung des Herzstückes der Standortanalyse: 100 Tönisvorster Unternehmer mit insgesamt 1300 Beschäftigten hatten in einer Umfrage Lob und Tadel verteilen können. „Das ist ein repräsentatives Ergebnis“, betonte Steinmetz — und schob die unangenehme Wahrheit hinterher: Die Unternehmer hatten in der Umfrage mehr Tadel als Lob verteilt — sie sind oft unzufrieden mit dem Standort Tönisvorst.

Für 50 Standortfaktoren in fünf Themengebieten waren von den Firmenchefs auf einer Vierer-Skala Noten verteilt worden. Am besten kam dabei die Qualität der Innenstadt (Einkaufsmöglichkeiten, Parkgebühren, Sicherheit) weg — die insgesamt aber trotzdem unterdurchschnittlich bewertet wurde. Schlechte Noten gab es für die Informations- und Kommunikationsstruktur: Die Betriebe fordern dringend schnellere Internet-Verbindungen ein. In einer anschließenden Diskussionsrunde hob Bürgermeister Thomas Goßen dazu hervor, dass der Breitbandausbau längst beschlossen sei: Im Frühjahr 2018 werden die Gewerbegebiete mit Glasfaser versorgt.

Kein Entgegenkommen ließ Goßen bei einer anderen Forderung der Unternehmer erkennen: Die Standortkosten sind ihnen zu hoch, der Gewerbesteuerhebesatz in Tönisvorst ist mit 475 Punkten der höchste aller kreisangehörigen Kommunen am Mittleren Niederrhein. „Eine Hypothek im Wettbewerb“, nannte dies Jürgen Steinmetz — doch Thomas Goßen erklärte, dass eine Senkung erst möglich sei, wenn die Stadt wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen kann. Das soll 2021 der Fall sein.

Ebenfalls nicht erfreulich: Die Betriebe schätzen die Stadtverwaltung nicht sehr wirtschaftsfreundlich ein. Verbesserungspotenzial sehen sie etwa bei der Dauer der Bau- und Genehmigungsverfahren.

Die amtlichen Daten zum Standort Tönisvorst hatte Gregor Werkle, bei der IHK Referent für Wirtschaftspolitik, ausgewertet. Auch er übte Kritik an der Höhe der Steuern, hob im Vergleich zu anderen Kommunen aber auch Stärken hervor: „Die Kaufkraft ist hoch, die Arbeitslosigkeit niedrig, die Zahl der Beschäftigten ist seit der letzten Standortanalyse vor zehn Jahren überdurchschnittlich angestiegen.“ Jürgen Steinmetz versprach, dass es die nächste Untersuchung dieser Art nicht erst wieder nach zehn Jahren geben soll: „Das ist nicht der Rhythmus, den wir brauchen.“

An der von Beate Kowollik (WDR) moderierten Diskussionsrunde nahmen zum Abschluss neben Jürgen Steinmetz und Bürgermeister Thomas Goßen drei örtliche Unternehmer teil: Andreas Böhm (BZ Bildungszentrum), Adil Colakoglu (AS-KA Qualitätsprodukte) sowie Hausherr Marco Hübecker. Dieser war mit seiner Firma fleur ami (30 Mitarbeiter) Anfang des Jahres nach Tönisvorst gezogen, da es in Willich für ihn keine Erweiterungsflächen mehr gab. Auch Tönisvorst ist in der Beziehung nicht gut aufgestellt, bekannte Goßen. Er hofft aber auf neue Gewerbeflächen im nächsten Regionalplan. Und er hofft darauf, dass die Bezirksregierung die rigiden Vorschriften in der Wasserschutzzone senkt.

Adil Colakoglu berichtete, dass es „sehr, sehr schwer“ sei, in Tönisvorst qualifizierte Mitarbeiter zu finden — auch dafür gab’s also schlechte Noten für die Stadt.

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