Statt Anzug trägt er lieber Latzhose

Schreiner Wilhelm Kohnen bekam den Goldenen Meisterbrief überreicht.

Vorst. Ein besonderer Tag. Das erkennt man schon daran, dass Wilhelm Kohnen Anzug, Hemd und Krawatte trägt. „Sonst kenne ich ihn nur in der Latzhose“, sagt seine Frau Käthe lächelnd, und: „Wenn ich ihn überleben sollte, lasse ich ihn darin begraben.“ Doch der Anzug hat seinen Grund: Immerhin bekommt Kohnen von der Handwerkskammer den Goldenen Meisterbrief verliehen.

Auch dass der 77-Jährige seinen Schreinereibetrieb vor fünf Jahren an seine Söhne Christian und Matthias übergeben hat, war kein Grund, die Latzhose an den Nagel zu hängen. „Ich arbeite jetzt bei der Gema“, sagt er augenzwinkernd. „Vater, geh‘ ma da hin und erledige das“, bekomme er oft zu hören. Täglich ist er am Tackweg 8 anzutreffen, wo der Betrieb seit 1970 ansässig ist. „Das war der elterliche Bauernhof, den mein älterer Bruder übernommen hatte. Als er nach Kanada auswanderte, wurden die Gebäude frei“, erzählt Kohnen.

1963 hatte er sich selbstständig gemacht, die Schreinerei Emil Schmölders nach dem tödlichen Unfall des Eigentümers übernommen. „Die Witwe sprach mich an. Ich hatte dort schon mal als Geselle gearbeitet.“ Bis zur Meisterprüfung arbeitete Kohnen in mehreren anderen Betrieben. Sogar in Füssen war er für ein dreiviertel Jahr und kam zurück, als seine Hilfe beim Wiederaufbau des abgebrannten elterlichen Hofes gebraucht wurde.

„Die Schreinerei war für mich Beruf und Hobby“, sagt er rückblickend. 30 Gesellen und sieben Meister wurden bei ihm ausgebildet. Das Handwerk hat sich gewandelt. „Mit den neuen computergesteuerten CNC-Maschinen käme ich nicht mehr zurecht“, sagt er. Möbel werden seltener gebaut, dafür mehr Inneneinrichtungen für Krankenhäuser, Ladenlokale.

„Was haben wir früher Holzdecken eingezogen“, erinnert sich seine Frau Käthe, die ebenfalls im Betrieb mitgearbeitet hat. „Die sind heute außer Mode.“

Außerhalb der Schreinerei hat Willi Kohnen sich 42 Jahre in der Feuerwehr und in der Innung engagiert. Auch als sachkundiger Bürger war er vertreten. „Ich sage meinen jungen Kollegen immer: Engagiert Euch, auch politisch. Menschen aus anderen Berufsgruppen können sich nicht für Eure Belange einsetzen, sie kennen sie nicht.“

Besonders betroffen zeigt er sich, wenn das Gespräch auf das Thema Mindestlohn kommt. „Soll die Arbeit von Menschen gemacht werden, die zu wenig verdienen? Das ist ungerecht.“ Ein weiteres Jubiläum steht in zwei Jahren, zum 50-jährigen Betriebsjubiläum, an. Das kann er vielleicht in der Latzhose begehen. Der Anzug kommt aber spätestens zur Goldhochzeit in sechs Jahren wieder zum Einsatz.

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