Tönisvorst „Spur der Unmenschlichkeit führt auch in unser Land“

Bürgermeister Thomas Goßen stellte in seiner Rede am Holocaust-Gedenktag Bezüge zur deutschen Gegenwart her.

Tönisvorst: „Spur der Unmenschlichkeit führt auch in unser Land“
Foto: Kurt Lübke

Vorst. Bürgermeister Thomas Goßen griff in seiner Rede zum Holocaust-Gedenktag Überlegungen auf, die er erst im vergangenen November vom Krefelder Rabbiner Yitzhak Mendel Wagner gehört hatte. Dieser nannte in St. Tönis die Pogromnacht vom 9. November 1938 einen „gezielten Testlauf der Nazis“, wie denn die Öffentlichkeit in Deutschland, aber auch der übrigen Welt reagieren würde, wenn ein Staat gezielt gegen Menschen anderen Glaubens vorgeht. Aus Sicht eines Testlaufs müsse man sagen: Er war gelungen. Denn die Regierungen schwiegen, die Menschen schwiegen. Auch in Deutschland.

Die Spur, die ihren Anfang nicht erst in der Pogromnacht von 1938 nahm, die aber weiterging über die Wannseekonferenz, über die Vernichtungslager — „diese Spur führt“, so Goßen, „auch an den Friedhof in Vorst“, auf dem am Wochenende des Holocaust’ gedacht wurde. Und er führe auf den jüdischen Friedhof in St. Tönis. Goßen erinnerte daran, dass seit Generationen auf diesem Friedhof kein Kaddisch mehr für Verstorbene gebetet würde. Die jüdische Geschichte und die Bevölkerung wurden ausgelöscht.

„Aber die Spur der Unmenschlichkeiten führt nicht nur auf Friedhöfe, sondern auch in unser Land“, sagte Goßen. Er erinnerte, bewusst ohne Namen zu nennen, da sie „auf einem solchen Friedhof nicht in den Mund genommen werden sollten“, an Ausfälle im Thüringer Landtag. Aber auch wie erst vor wenigen Tagen in Krefeld, womit er auf die Boykott-Aufrufe türkischer Geschäfte durch einen AfD-Bundestagsabgeordneten anspielte.

Der Bürgermeister sprach von dumpfen Parolen, von Hass und Neid einer Partei, die sich Alternative nenne, ohne eine solche zu sein. Goßen rief dazu auf, dass dieser Spur ein Ende bereitet werden solle. Die Gesellschaft müsse einen Weg finden, den man gemeinsam gehen kann, um die „braune Gedankensoße zurückzuweisen“.

Mit einem Gebet von Pfarrer Bernd Pätzold endete die Zusammenkunft auf dem Friedhof, die Thomas Goßen mit seinen deutlichen Worten zu einer beeindruckenden Gedenkstunde machte.

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