„Salon“-Premiere ist geglückt

Autor John von Düffel war zum ersten „Salonfestival“ in Willich zu Gast — in einem ganz normalen Wohnzimmer.

„Salon“-Premiere ist geglückt
Foto: Wolfgang Kaiser

Schiefbahn. Die Türglocke klingelt in einer Tour. Herzlich begrüßen Corinna und Christoph Siebrecht die vielen Gäste, die an diesem Sonntagnachmittag in ihr Haus im Schiefbahner Neubaugebiet strömen. Freunde sind dabei und Nachbarn, aber auch viele Unbekannte, denn die Karten zu der Veranstaltung im Hause Siebrecht wurden im Internet verkauft. „Salonfestival“ heißt das Event und mit dem Nachmittag bei den Siebrechts feiert die Initiative Premiere in Willich.

Seit 2014 gibt es das „Salonfestival“. Entstanden ist die Idee im privaten Rahmen in Köln. „Es geht darum, den persönlichen Austausch mit Künstlern, Philosophen und Politikern zu ermöglichen“, erzählt Antje Terhaag, beim „Salonfestival“ zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Etwa 500 Salons mit 22 000 Gästen hat es seit der Gründung vor vier Jahren gegeben. Neben Köln sind München und Berlin als Spielstätten hinzugekommen, aber auch in Essen, Münster, Hannover und Wiesbaden haben Privatleute und Firmen schon ihre Räume für die Kultur und den Austausch zur Verfügung gestellt.

Neben Lesungen gibt es die Formate „Musik zu Gast“, „Tanz zu Gast“ und „Kluge Köpfe zu Gast“. Dass „Literatur zu Gast“ mit dem Autor John von Düffel nun in Schiefbahn stattfand, ist kein Zufall. Hausherrin Corinna Siebert gehört zum Team des „Salonfestivals“ und betreut die Region Düsseldorf. Und so ist die Gastgeberin auch bestens auf den Ansturm vorbereitet. Sofa, Sessel und Tisch im großen Wohn-Esszimmer sind 45 Stühlen für die Zuhörer gewichen. Für den Autor, der eigens aus Potsdam angereist ist, steht eine hübsche, alte Schulbank bereit. Das ist kein Zufall, sondern mit Bedacht gewählt, denn dar Roman, aus dem von Düffel liest, heißt „Klassenbuch“.

Neun Protagonisten werden vorgestellt. Sie sind in der Oberstufe eines Gymnasiums und alle mit unterschiedlichen Problemen, Ideen und Umständen belastet. Das Leiden an der Welt, das zur Pubertät dazu gehört, wird ebenso thematisiert, wie die Systemkritik, die Suche nach sich selbst und die Liebe. Neu ist, dass ein Roman den allgegenwärtigen Einfluss der digitalen Medien so in den Vordergrund rückt, eine Beobachtung, die von Düffel offensichtlich verstört hat, als er in eine Schulklasse gegangen ist, um mit den Jugendlichen gemeinsam etwas zu schreiben.

„Ich bin dabei gescheitert“, gibt der Autor in Schiefbahn zu, der auch Dramaturg am Freien Theater Berlin ist und eine Professur an der Berliner Universität der Künste hat. Aber aus der Begegnung mit den Jugendlichen sei der Roman „Klassenbuch“ entstanden. „Einige Figuren sind fiktiv, andere sind real, wobei real heutzutage eine fragwürdige Einordnung ist“, sagt er und berichtet, ihm seien Jugendliche begegnet, die nicht mehr an der realen Welt teilnähmen, sondern nur noch in der virtuellen existierten.

Bei allem Humor, mit dem der Roman „Klassenbuch“ geschrieben ist, schwingt eine gewisse Bedrohung mit. Wo bewegen sich meine Kinder, wenn sie in den sozialen Netzwerken, in Chatrooms, in virtuellen Welten unterwegs sind, fragen sich manche der anwesenden Eltern. Und vor allem: Wie gelingt es mir, die Verbindung zu ihnen zu halten? Dabei verteufelt von Düffel die Digitalisierung nicht, er schildert einfach nur, wie sehr sie den Alltag von jungen Menschen im 21. Jahrhundert prägt.

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