Niers war „brennende Grenze“

Im zweiten Teil unseres Berichts über alte Willicher Rivalitäten blicken wir auf einen Streit zwischen Schiefbahn und Gladbach.

Niers war „brennende Grenze“
Foto: rei

Willich/Schiefbahn. Über die alte Rivalität zwischen Schiefbahn und Willich haben wir gestern berichtet. Heute widmen wir uns einem Streit zwischen Schiefbahn und Mönchengladbach.

In früheren Jahrhunderten kam es zu wirklich handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen „Nachbarn“ — so zwischen den Schiefbahnern auf der einen und den Gladbachern auf der anderen Seite. Heimatforscher Jakob Germes beschreibt einen Vorfall vom 24. Juli 1749. An dem Tag läutete aus seiner Schiefbahner Amtsstube Schöffe Haszertz die Sturmglocke. Was war passiert? Gladbacher hatten frühmorgens das Schiefbahner Bruch und das Niersbruch gestürmt, Wach- und Hirtenhäuser abgerissen und den während des ganzen Sommers gesammelten Dünger geraubt. Ein Augenzeuge war Kuhhirt Johann Driessen.

Die Gladbacher hatten an der Stelle nichts zu suchen, da damals der „Schwarze Graben“ die Grenze zwischen Schiefbahn und Gladbach war. Schiefbahn gehörte seinerzeit zum Kurfürstentum Köln, Gladbach dagegen zum Herzogtum Jülich.

Jedenfalls soll morgens gegen 4.30 Uhr der Vogt von Gladbach mit etwa 150 Bauernschützen und mit 70 Pferdekarren über den Schwarzen Graben in das Schiefbahner Bruch eingedrungen sein.

Ganz Schiefbahn war in heller Aufregung. Die Tore wurden geschlossen, jeder Schütze griff zum Gewehr. Schnell hatte Vorsteher Andreas Duckweiler seinen Abwehr- beziehungsweise Angriffstrupp zusammen. Sechs „Kundschafter“ wurden an die Grenzlinie geschickt, sie warteten auf den nächsten Angriff. Es blieb zunächst ruhig. Zwei Tage später wurde der Gladbacher Fuhrmann Johann Zester vom Anführer der Schützen, Steinfelder, verhaftet. Einen Wert von tausend Taler soll Wagen, Pferde und die Last gehabt haben.

Die Gladbacher erfuhren schnell davon und wollten sich dies nicht gefallen lassen. Sie planten am Montag darauf eine neue Attacke. Die Schiefbahner holten sich Verstärkung aus Neersen und Oedt. Neersen schickte 30 Schützen, Oedt 50, gemeinsam mit den Schiefbahnern sollen es 160 gewesen sein. Das im Kampfgebiet weidende Vieh wurde heimlich in der Nacht in die Ställe geschafft. Vergeblich warteten die Kämpfer hinter den Dämmen am schwarzen Graben auf die Gladbacher. Sie blieben in Neuwerk, nachdem wohl ihre Spione die große Anzahl der Schützen auf der Gegenseite gemeldet hatten.

Im August 1749 wurde der Grenzstreit durch Verhandlungen der Regierungen des Erzstifts Köln und des Herzogtums Jülich beigelegt. Dieser „Friede“ dauerte aber nur 35 Jahre. Dann soll es erneut zu Grenzüberschreitungen gekommen sein, unter denen besonders die Neersener zu leiden hatten. Jakob Germes schrieb: „Nahezu 300 Jahre war die Niers eine „brennende Grenze“, war der schwarze Graben eine wenig respektierte Scheide zwischen dem Kurfürstentum Köln und dem Herzogtum Jülich.“ Ruhe sollte erst mit der Aufhebung der „Kleinstaaterei“ durch die Franzosen eingekehrt sein.

Aus heutiger Sicht mutet dies alles reichlich seltsam an. Wobei: Streitigkeiten zwischen den Nachbarn gibt es immer noch. Aktuelles Beispiel ist die in der Stadt Willich gewünschte Verlängerung der Regiobahn von Kaarst über Schiefbahn und Neersen nach Viersen. Bis heute haben die Gladbacher dies blockiert — vielleicht auch, weil Willich vor Jahren Gladbacher Flughafenträume bekämpft hatte.

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