Rathausplatz Marktschreier: Mit Stimmgewalt und derben Sprüchen

St. Tönis. Seit Freitagmorgen werden in St. Tönis viele Aale, Kiwis und Würste „gratis oben drauf gepackt“. Beim Stadtfest des Werberings gastieren fünf Marktschreier auf dem Rathausplatz.

Rathausplatz: Marktschreier: Mit Stimmgewalt und derben Sprüchen
Foto: Kurt Lübke

Ab der ersten Minute geht es hoch her. Die stimmgewaltigen Händler schenken sich nichts. „Wenn die Hunde Geld hätten, würden sie bei mir kaufen“, brüllt Wurst Achim. „So bekloppt kann nicht mal ein Hund sein“, pöbelt Nudel Dieter zurück. Kurz darauf schießt sich Obst Micha auf Aale-Ole ein: „Ich kann es mir wenigstens leisten, meine Ware zu essen. Der Aalverkäufer nicht!“

Wenn das Geschäft mal nicht läuft, kriegt das Publikum sein Fett weg. „Spuckt die Schlaftabletten aus“, schreit Käse Alex während einer längeren Durststrecke. Er ist mit 18 Jahren der jüngste Marktschreier.

„Meine Vorfahren sind schon über die Märkte gezogen“, sagt der Verkäufer. Und wie bekommt er es hin, dass die Stimme über ein ganzes Wochenende hält? „Alles eine Frage der Übung“, so Käse Alex. Wichtig sei nicht durch die Lunge, sondern durch den Bauch zu atmen.

Der Star unter den Marktschreiern ist Wurst Achim. Im Wettbewerb mit einem Brüllaffen hat sich 55-Jährige den Titel des lautesten Lebewesens der Welt erarbeitet. 110 Dezibel gibt seine Stimme her. Aufgrund seiner Lautstärke und der derben Sprüche ist der gelernte Einzelhandelskaufmann zum Deutschen Meister der Marktschreier gewählt worden.

Pro Jahr besucht Wurst Achim rund 45 Märkte. Nach St. Tönis hat er zwei Tonnen Lebensmittel mitgebracht. Alice Schmitz sichert sich für 15 Euro eine mehrere Kilo schwere Tüte mit Salami, Schinken und Mortadella: „Ich war mal in Willich bei den Marktschreiern. Mit Preis und Qualität war ich zufrieden.“ Damit alles aufgegessen wird, werde sie einen Teil des Fleischs ihren Eltern geben.

Auch Brigitte Woog hat sich bei Wurst Achim eingedeckt: „Ich habe zugeschlagen, weil ich die Marktschreier so lustig finde. Das ist ein nettes Geplänkel.“

Wer kein Geld für die scheinbar unschlagbaren Angebote ausgeben, aber trotzdem probieren möchte, hat an diesem Morgen Glück. Zur Eröffnung spendieren die Marktschreier ein Frühstück mit Matjes, Wurst und Obst. Zudem gibt es Freibier. Schnell ist der Rathausplatz gefüllt. Viele sitzen auf den Bänken und amüsieren sich über die Wortgefechte.

Komplettiert wird das Stadtfest durch gut 30 Marktbeschicker, die ihre Stände auf der Hochstraße und der Krefelder Straße aufgebaut haben. Zum Verkauf stehen größtenteils Billig-Sonnenbrillen, Kleidung und Wunderputzmittel.

Die Marktschreier sind heute von 10 bis 19 Uhr im Einsatz. Morgen gehen sie aus Rücksicht auf die Messe in St. Cornelius eine Stunde später an den Start. Aufgrund des Stadtfests ist verkaufsoffener Sonntag.

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