Tönisvorst Kettenhemden stehen auch Kuscheltieren

Stephan Spönnen aus St. Tönis stellt Kettenhemden her. Ähnlich wie beim Stricken nutzt er dafür viele Muster.

Tönisvorst: Kettenhemden stehen auch Kuscheltieren
Foto: Wolfgang Kaiser

Tönisvorst. Es sitzt alles wie angegossen. Das Hemdchen schmiegt sich an den Hasenkörper. Die Haube umschließt das Gesicht, seitlich schauen die langen Schlappöhrchen heraus. Dieser Plüschhase trägt ein aus Hunderten Ringen maßangefertigtes Kettenhemd. Ebenso gewappnet sind seine Kumpel, ein Bärchen, Mäuse und Drachen. In die Panzerung der Drachen wurden zusätzlich farblich abgestimmte Metallschuppen in Herzform eingearbeitet, die in der Sonne glänzen. Hersteller dieser besonderen Gewandungen ist Stephan Spönnen aus St. Tönis. Der 51-jährige Familienvater arbeitet bei der Berufsfeuerwehr in Krefeld. In seinen Bereitschaftszeiten fertigt er mit Genehmigung seines Arbeitgebers Kettenhemden für Groß und Klein.

Viel braucht es nicht dazu. Stephan Spönnen nimmt zwei Zangen in die Hand und breitet auf dem Tisch kleine Metallringe aus. Blitzschnell biegt er sie mit einer Gegendrehung auf, um sie dann fast genauso schnell ineinanderzufügen und wieder zu verschließen. Unter den Augen des ungläubigen Betrachters entstehen so in kurzer Zeit komplizierte und gleichzeitig sehr geschmeidige Kompositionen.

Denn ähnlich wie beim Stricken gibt es hier sehr viele Muster. „Ich habe in diesen Ring sechs andere Ringe eingearbeitet, die beiden oberen biege ich nun nach oben und hänge jetzt diesen Ring hier ein“, erläutert Stephan Spinnen, während die Ringe wie beiläufig miteinander verwoben werden. Welche Kunstwerke dabei entstehen können, demonstriert er an einer weiblichen Kleiderpuppe, die ein eng anliegendes Kettentop und einen Gürtel trägt, dessen Elemente an Blumen erinnern.

„Mit so einem Top hat vor 20 Jahren alles angefangen“, erzählt Spönnen. Die Freundin seines Bruders habe es auf einem Mittelaltermarkt gesehen und wollte es unbedingt haben. „Da habe ich mir gedacht, so schwer kann das nicht sein, und es einfach mal ausprobiert“, erinnert er sich. Weitergebildet hat er sich über das Internet, denn das Herstellen von Kettenhemden ist eine international verbreitete Tätigkeit. „Und ich habe auch viel mit den Augen geklaut“, schmunzelt er.

Stephan Spönnen

Neben der stählernen Damenkleidung ist ein klassisch aussehendes Kettenhemd für einen Mann ausgestellt. „Da habe ich zweieinhalb Jahre lang dran gearbeitet“, erzählt Stephan Spönnen. Verarbeitet hat er dafür 50 000 Edelstahlringe im sogenannten persisch-arabischen Muster: „Dabei fasst jeder große Ring paarweise zwölf kleine Ringe.“ 11,6 Kilogramm wiegt das gute Stück, das alleine dürfte schon für jeden Träger eine Herausforderung sein. Und 5000 Euro soll es kosten. Die gepanzerten Plüschtierchen gibt es natürlich schon günstiger. Das Bärchen etwa kostet 69 Euro. Reich wird der Hersteller hierbei nicht, zumal die Anfertigung sehr zeitaufwendig ist. Seit einigen Jahren hat er die Tätigkeit als Gewerbe angemeldet. Doch das Ganze ist für Stephan Spönnen in erster Linie immer noch ein kreatives und auch beruhigendes Hobby in einem sehr stressigen Berufsalltag.

Mehrmals im Jahr ist er, oft in Begleitung seiner Familie, auf Mittelaltermärkten und bei mittelalterlichen Rollenspielen. Auf seine Kundschaft angesprochen, antwortet er postwendend: „Alle.“ Und er erinnert sich: „Meine älteste Kundin war 65 Jahre alt, hatte quietschblaue Haare und trug Top und Gürtel zum Tanzen.“

Für streng historisch orientierte Kunden kämen seine Hemden eh nicht in Frage, da er sie aus Edelstahl fertigt, was natürlich nicht authentisch sei. Im Mittelalter seien die Eisenringe zudem noch zusätzlich vernietet gewesen, damit sie sich nicht aufbiegen. „Aber das ist eine Höllenarbeit“, fügt er hinzu. Sehr beliebt bei seinen Kunden sind übrigens auch Maßanfertigungen für die kleinen Plüschlieblinge zu Hause. Nur seinen Hasen gibt er nicht ab: „Der ist unverkäuflich.“

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