Willich Kalle Pohl sorgt für den Sieg

Der bekannte Komödiant ist Dreh- und Angelpunkt des Premierenabends von „Charleys Tante“ — während Deutschland gegen Schweden spielt.

Willich: Kalle Pohl sorgt für den Sieg
Foto: Friedhelm Reimann

Neersen. Was für ein Spiel! Nach starker Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit kommt die von Kalle Pohl geführte Festspiel-Mannschaft zu einem sicheren Sieg. Langanhaltender Jubel des Publikums für Trainer Jan Bodinus und sein Team sind am Ende der verdiente Lohn.

Danach sieht es zu Beginn der Premiere von „Charleys Tante“ auf der Neersener Freilichtbühne noch nicht aus. Zu wenig Spielwitz in den ersten 20 Minuten, die von langatmigen Dialogen zwischen den Oxford-Studenten Charles (David Imper) und Jack (Thomas Kahle) bestimmt werden, lassen den Funken nicht so recht überspringen.

Nur der erste Auftritt von Kalle Pohl als Gärtner Brassett sorgt für Erheiterung. Zunächst bringt er die Ehrengäste in der ersten Reihe dazu, die Füße zu heben, damit er darunter fegen kann. Dann lässt er beim Blick auf die Frisur von Bürgermeister Josef Heyes wissen, dieser habe offenbar einen guten „Kämmerer“. Doch das war’s dann vorerst mit dem Witz, der erste Szenenapplaus lässt auf sich warten.

Erst als aus dem Gärtner endlich „Charleys Tante“ wird, die im Kleid und mit Blüte in den wilden Locken Anstandsdame spielen soll, damit die jungen Herren ungestört mit zwei jungen Damen flirten können, nimmt das Spiel richtig Fahrt auf.

Ausstatterin Silke von Patay hat das Schloss dezent in ein englisches Herrenhaus mit Tee-Pavillon und blumengeschmücktem Balkon verwandelt. Grammophon-Klänge und Kostüme versetzen die Zuschauer in die Zeit der 1920er Jahre. Klänge steuert auch der studierte Musiker Kalle Pohl bei, der mehrfach zur — von (sichtbarer) Geisterhand — herbeigezauberten Gitarre greift und eine „Samba Brazil“ anstimmt oder ein Tänzchen im Stil des von ihm verehrten Komiker-Duos Stan und Ollie wagt.

Schöne Ideen — viele auf der Tribüne sind mit ihren Gedanken aber leider woanders: Überall sind Smartphones zu sehen, auf denen Texte, Bilder, Töne vom WM-Spiel Deutschland-Schweden flimmern. Erst als das befreiende Tor in Sotschi fällt, wirkt auch in Neersen die Stimmung befreit.

Es ist natürlich Kalle Pohl, der den Sieg auf die Bühne bringt: „Jetzt sind wir endlich wieder 2:1 - so wie Deutschland gegen Schweden“, lässt er die jungen Damen Kitty (Maria Arnold) und Amy (Vanessa Frankenbach) augenzwinkernd wissen — und hat die Lacher auf seiner Seite.

Pohl ist Dreh- und Angelpunkt des Abends. Sein Mienenspiel, sein wie zufällig daherkommender Wortwitz sind grandios. Wenn etwa Colonel Sir Francis (stark: Kay Szacknys) der merkwürdigen „Tante“ den Hof macht und von dem großen Vergnügen faselt, das ihm dies bereitet, kommt es staubtrocken zurück: „Dann sagen Sie das mal Ihrem Gesicht.“

Auch den stetig zunehmenden Zustand der Trunkenheit gibt Pohl lustig, aber nicht überdreht. Der Vollblut-Komödiant ist sich aber auch nicht zu schade, Gags unterhalb der Gürtellinie rauszuhauen. Dem Publikum gefällt’s. Das gilt auch für das Happy End in Oxford: Drei Paare liegen sich in den Armen — und Gärtner Brassett darf sich immerhin über ein höheres Gehalt und reichlich Whisky freuen.

Kalle Pohl, Regisseur Jan Bodinus und ihre Mannschaft sind vielversprechend ins Neersener Festspiel-Turnier gestartet — trotz Konkurrenz aus Sotschi.

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