„Ich schreibe die Ruhe in mich hinein“

Im Anrather Gefängnismuseum las Manfred Theisen aus seinem Buch „Angst sollt ihr haben“. Es beschäftigt sich in knallharter Sprache mit Rechtsradikalen.

„Ich schreibe die Ruhe in mich hinein“
Foto: Friedhelm Reimann

Anrath. Der Kölner Autor Manfred Theisen ist regelmäßig im Knast. Er liest und schreibt dort mit jungen Inhaftierten. Am Montagabend kam der 56-Jährige ins Anrather Gefängnismuseum. Er las dort aus seinem Buch „Angst sollt ihr haben“.

Im Mittelpunkt des Buches steht ein Rechtsradikaler, der erst hinter Gittern zum Nachdenken kommt. Theisen bedient sich schonungslos der brutalen Sprache in diesem Milieu — und er schildert Gewalt bewusst sehr genau. Der Organisatorin von „Anrath liest ... Wortschätze!“, Anja Kuypers von der Katholischen öffentlichen Bücherei, war es ein Anliegen gewesen, die Lesungen an außergewöhnlichen Orten zu veranstalten, an Orten, die möglicherweise einen Bezug haben zu dem Buch, aus dem jeweils gelesen wird.

„Angst sollt ihr haben“ ist ein Buch mit einem Happy beginning — Manfred Theisen lässt zunächst einen offensichtlich geläuterten Gewalttäter zu Wort kommen. Erst die Inhaftierung und die strukturierten Tagesabläufe haben ihm zu Erkenntnissen wie dieser verholfen: „Das Wort ist die einzige Droge, die dein Bewusstsein wirklich erweitert. Ich schreibe die Ruhe in mich hinein.“

Vor rund zwei Dutzend Besuchern zeigte Manfred Theisen aber auch die andere, die unvorstellbar grausame Seite seines Protagonisten. Einer, der zwei Araber in der Kölner U-Bahn angreift und schwer verletzt beziehungsweise demütigt. „Diese Gewalt muss explizit beschrieben werden“, ist sich der Autor sicher, dessen Großvater im Konzentrationslager war und von dessen Elternhaus man auf das Gefängnis in Ossendorf gucken konnte. Immer wieder erklärte der Kölner, der übrigens auch Schirmherr von „Anrath liest ...“ ist, wie die Radikalen ticken: „Sie sind nicht nett, auch wenn es manchmal so scheint.“

Nur auf den ersten Blick erstaunlich: Unter den „Kaffern“, wie die Rechtsradikalen es ausdrückten, stünden die Anhänger von Erdogan noch hoch im Kurs. Grund: Sie hätten einen Führer gewählt. „Die Türken haben was drauf, die kacken auch braun“, lässt Manfred Theisen seinen Protagonisten sagen.

Der Autor berichtete von vielen „hellen Köpfen“ in der rechten Szene, was an der menschenverachtenden Ideologie nichts ändere, sie aber verschleiere. Seine Lesung war auch der Versuch, diese Taktik zu durchschauen, zu entlarven. „Ich habe das Buch verschlungen“, sagte Anja Kuypers.

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