Hier überwintern die Festspiele

Doris Thiel ist heute Türöffnerin der WZ. Es geht zum Fundus der Schlossfestspiele. Der lagert in Neersen im Biedemannsaal — darüber und dahinter.

Neersen. Ein Blick in den Fundus ließe sogar „Kleiderschrank-öffne-dich-Profis“ der Fernsehsendung ,Shopping-Queen’ blass vor Neid werden. Hunderte Paar Schuhe für jeden, aber auch jeden Anlass stapeln sich in Regalen.

Es sind Männer- und Frauen-Modelle von fester Sohle bis Pfennigabsatz, Stiefel, Turnschuhe, Pumps und Sneakers. Sie alle haben in Produktionen der Schlossfestspiele Neersen schon Spuren auf der Bühne hinterlassen. „Da müssten auch noch welche aus den Anfangsjahren dabei sein“, sagt Doris Thiel, Geschäftsführerin des Festspielvereins.

Adventsserie: Die WZ öffnet Türen

In der Zeit zwischen ihrer 29. und ihrer 30. und zugleich letzten Spielzeit ist sie heute für die WZ Türöffnerin — zum Lager von Kostümen, Requisiten, Technik und Mobiliar der verschiedenen Freilichttheater-Ensembles seit 1984.

Dazu dreht sich der Schlüssel zum Foyer des Biedemann-saals in Neersen. Er hortet — seit er wegen eines fehlenden zweiten Fluchtwegs nicht mehr als Veranstaltungsort genutzt werden darf — alles das, was Theater neben den gesprochenen Schauspielparts zum visuellen Erlebnis werden lässt. Die erste Tür, die wir öffnen, ist eine Kühlschranktür. Falsch gedacht! Sie sieht nur so aus, weil der schmale hohe, weiße Schrank dahinter an das Küchengerät erinnert. „Das ist einer von zwei Trockenschränken, die wir aus Skandinavien haben“, erklärt Doris Thiel. Darin lassen sich Kleider und auch die Sitzkissen der Tribüne trocken, wenn mal wieder der niederrheinische Sommerregen pünktlich zu den Spielplanzeiten niedergeht.

Weiter geht’s: Thiel betritt nun den Saal. Wenn man lange nicht da war, ist die Deckenhöhe wieder doppelt beeindruckend. In diesem Ambiente wirken die aufgestapelten Tische und Stühle, Teppiche und aufgestellten Kulissenwände an den Seiten gar nicht mehr wuchtig.

Obwohl momentan weit und breit kein Schauspieler, kein Regisseur und kein Intendant zu sehen ist, wird den Festspielen hier facettenreich Leben eingehaucht. Hier ein Tapetenmuster aus einem Kinderstück, dort ein Gemälde einer schönen Kriminellen aus einer Lesung von 2012 über „große Räuberinnen und Sackgreiferinnen“. „Das findet seither jedes Jahr in der Garderobe seinen Platz“, sagt Thiel.

Der „gute“ Perserteppich aus Intendanzjahren von Astrid Jacob liegt zusammengerollt auf der Probenbühne, dem Gegenstück zur Bretterbühne vor dem Schlossportal. „Das entzerrt sehr, dass wir auch hier proben können“, sagt Thiel, vor allem, wenn für die beiden Abendstücke gleichzeitig geübt werden muss.

Früher lagerten Textilien und mehr im Gebäude des Kulturamtes am St. Bernhard in Schiefbahn. Doch die Feuchte setzte dem Fundus zu. Der Umzug in den Neersener Biedemannsaal war ein Glücksfall. Seit Astrid Jacob und Ausstatterin Silke von Patay, sagt Thiel, sei alles professioneller aufgezogen, die Werkstätten besser aufgebaut worden.

Das zeigt sich im ersten Stock des Hauses. Die Schneiderei hat ihre Utensilien dort in Plastikkisten sortiert: Taschentücher neben Leggins, Haarteile neben Stoffresten, Mützen, Hüte, Pelze, Knieschoner, Stäbchen für Corsagenverarbeitung und „Schweißblätter“ - Stoffeinlagen, die man in Roben einnäht, damit diese schweißtreibende Aufführungen absorbieren und sich die Zeit bis zur nächsten Reinigung verlängert.

Barhocker, beleuchtete Spiegel und Schminksessel überwintern an der Hauptstraße. Zur Sommersaison werden sie ins Schloss transportiert und in der Motte aufgebaut.

Manchmal gehen Requisiten der Festspiele in vorstellungsfreier Zeit auch auf Tournee. So beispielsweise ein großes Geweih als Wandschmuck. Das hatte zuletzt die Kolpingsfamilie Willich ausgeliehen. Es lehnt aber längst wieder am Bühnenrand des Biedemann-saals.

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