Heimat hat Negativ-Touch verloren

Ernst Kuhlen, Vorsitzender der Heimat- und Geschichtsfreunde Willich, hält wenig davon, dass die Politik die „Heimat“ entdeckt hat. Das Geld könne sinnvoller investiert werden.

Willich. Das Wort „Heimat“ ist plötzlich in aller Munde. In Bund und Land gibt es dafür sogar eigene Ministerien. Vorbei scheint die Zeit zu sein, in der man bei „Heimat“ nur an peinliche Heile-Welt-Filme aus den 1950er Jahren dachte. Was sagt der Vorsitzende eines Heimatvereins zu dieser Entwicklung? Die WZ sprach mit Ernst Kuhlen von den Heimat- und Geschichtsfreunden Willich.

Heimat hat Negativ-Touch verloren
Foto: Reimann

Herr Kuhlen, freuen Sie sich darüber, dass die Heimat wieder einen größeren Stellenwert zu haben scheint?

Ernst Kuhlen: Ich finde das derzeit alles sehr populistisch. Die Politik springt auf dieses Thema auf, weil sie glaubt, damit einige Leute vom rechten Rand abfischen zu können. Damit habe ich persönlich ein Problem. Das Geld, das hier von den Ministerien ausgegeben wird, sollte besser in kulturelle Projekte, zum Beispiel mit Jugendlichen, investiert werden. Oder in Heimatkundeunterricht an den Grundschulen. Oder in Projekte zur Erforschung der historischen Vergangenheit.

Heimat — was ist das aus Ihrer Sicht überhaupt?

Kuhlen: Ich muss ehrlich bekennen: Als ich 2007 als Vorsitzender des Heimatvereins angefangen habe, klang der Begriff für mich reichlich angestaubt. Doch das hat sich mittlerweile geändert — wohl auch durch einen Image-Wandel von Heimat in den Medien. Der Negativ-Touch ist heute verschwunden.

Welchen Stellenwert hat Heimat für Sie persönlich?

Kuhlen: Heimat ist da, wo ich Freunde habe und zufrieden leben kann. Das muss nicht unbedingt dort sein, wo ich auch geboren bin.

Die 1950 gegründeten Heimat- und Geschichtsfreunde Schiefbahn sind vor einigen Jahren zu den Heimat- und Geschichtsfreunden Willich geworden. Wie hat sich die Arbeit im Verein dadurch geändert?

Kuhlen: Durch die Neuausrichtung war es uns möglich, das Heimatmuseum für die ganze Stadt zu öffnen. Dadurch bekommen wir jährliche Betriebskostenzuschüsse. Außerdem wurde in den vergangenen Jahren sehr viel ins Museum investiert. Bei Führungen können Willicher Bürger etwas über die Geschichte ihres Ortsteils erfahren.

Haben Sie mittlerweile auch Heimatfreunde in den übrigen Stadtteilen für die Arbeit im Verein gewinnen können?

Kuhlen: Oh ja. Wir hatten zum Beispiel beim jüngsten Projekt zur Geschichte von Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg vier Anrather in der Arbeitsgruppe. Sie sind immer noch dabei, da zu den Familiengeschichten einiges nachrecherchiert wird. Ich bin mir sicher, dass sie auch danach weiter im Verein mitmachen werden. Der Kontakt zum Bürgerverein Anrath ist gut, auch „De Leddschesweäver“ treten regelmäßig im Museum auf.

Wie soll sich der Verein in den kommenden Jahren weiter entwickeln?

Kuhlen: Unser größtes Problem ist der jüngere Nachwuchs. Ich werde in diesem Jahr schon 70 Jahre alt und muss einen Nachfolger aufbauen. Wir brauchen frische Leute im Vorstand, aber die Zeiten, als die Frührentner mit Ende 50 zu uns kamen, sind leider vorbei. Das haben wir jetzt auch bei der Vorbereitung zur Gründung des Bürgerbusvereins gemerkt. Viele potenzielle Fahrer waren gleich wieder raus, weil sie zu alt waren.

Apropos: Wie weit ist das Projekt Schiefbahner Bürgerbus?

Kuhlen: Ende April gibt es eine Sitzung, bei der wir den künftigen Vorstand festzurren möchten. Die Gründungsversammlung soll im Mai sein. Mittlerweile dürften wir etwa 25 ehrenamtliche Fahrer haben. Und es werden noch mehr. Start wird sicher 2019 sein — vielleicht ja erst mal nicht an jedem Tag.

Wann wird das Heimatmuseum Kamps Pitter II eröffnet?

Kuhlen: Ende des Jahres. Wir wollten eigentlich etwas früher fertig werden, doch es gab Verzögerungen, da die Bausubstanz schlechter als erwartet war.

Welche weiteren Projekte stehen derzeit noch im Heimatverein an?

Kuhlen (lacht): Jetzt müssen wird erst einmal dafür sorgen, das Kamps Pitter II fertig wird. Im nächsten Jahr könnten wir uns dann an die Außenanlage des Museums machen. Ich hoffe auch hier wieder auf Unterstützung durch die Stadt.

“ Mehr zur Erweiterung des Heimatmuseums — Kamps Pitter II — im untenstehenden Bericht.

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