Kreis Viersen Geburtstagsfeier für ein „Schnellboot“

Die Lebenshilfe im Kreis Viersen ist vor fünf Jahrzehnten als Elternverein gegründet worden. Gefeiert wurde jetzt in Neersen.

Kreis Viersen: Geburtstagsfeier für ein „Schnellboot“
Foto: Reimann

Neersen/Kreis Viersen. 50 Jahre Lebenshilfe Kreis Viersen — dieser „runde Geburtstag“ ist im Schloss Neersen gefeiert worden. Durch das Programm mit Sketchen, Filmen, Fingerfood, Sekt und Diskussionsrunden führte die WDR-Wetterfee Claudia Kleinert, die Botschafterin der Lebenshilfe ist. Der Vorsitzende der Lebenshilfe Viersen, Wolfgang Reinsch, erinnerte an die Anfänge vor fünf Jahrzehnten: „Die Lebenshilfe war als Elternverein gegründet worden und sollte zu einer großen Selbsthilfeeinrichtung werden.“

Monika Spona-L’herminez ist vor sieben Jahren in den Lebenshilferat gewählt worden. Dass sie als Frau mit Behinderung jetzt selbstbewusst zum Mikrofon griff, hat Symbolcharakter: Ziel der Lebenshilfe ist es, aus Betroffenen selbstständige Menschen zu machen. Dazu gehört auch eine eigene Wohnung mit gezielter Unterstützung.

Berührend war der kurze Auftritt von Horst Bessel: Der Vater eines behinderten Sohnes gehört zu den Gründern der Lebenshilfe im Kreis Viersen: „Ich bin mit dem Fahrrad rumgetingelt, bis ich 20 Adressen zusammen hatte.“ Damals habe man Kinder wie seinen Sohn noch „Sorgenkinder“ genannt. Klaus Simonsen hatte vor 50 Jahren das erste Haus der Lebenshilfe geleitet: „Ich startete als Quereinsteiger mit abgebrochenem Studium, habe später eine pädagogische Ausbildung gemacht“, erinnerte er sich. Im Gegensatz zu früher seien heute Einzelzimmer Standard.

Bürgermeister Josef Heyes erklärte: „Die Lebenshilfe ist uns sehr ans Herz gewachsen.“ Er erinnerte daran, dass die Stadt in Wekeln ein Grundstück zur Verfügung gestellt habe für ein Haus der Lebenshilfe und dass es in Anrath das „Haus Anrode“ gebe.

Doris Langenkamp vom Bundesvorstand erklärte: „Wir sind stolz auf ihren Einsatz und Ihren Erfolg.“ Eine starke Lebenshilfe sei wichtig, um bei der Politik gehört zu werden. Der Landesvorsitzende, Uwe Schummer, nannte die Lebenshilfe ein „Schnellboot“. Und er überreichte den Jubilaren ein Bild der Aachener Kunstwerkstatt der Lebenshilfe — Künstler mit Behinderung haben sich längst einen Namen gemacht, die Preise ihrer Werke spiegeln diese Wertschätzung wider.

Die kurzen Diskussionsrunden wurden von Claudia Kleinert, der Lebenshilfe-Botschafterin von Nordrhein-Westfalen, moderiert. Die bekannte Fernsehfrau hat einen Bruder, der in einer Einrichtung der Lebenshilfe in Köln lebt.

Im Alltag hakt es hier und da immer noch. Viele Menschen mit Behinderung, die in einer Einrichtung der Lebenshilfe wohnen, hatten auf Videoclips Kritik vorgebracht, Lob ausgesprochen und Wünsche geäußert. „Krankenhäuser sind immer noch sehr behindertenunfreundlich“, klagte ein älterer Herr. „Es ist nicht einfach, mit einem Handicap zu leben. Seitdem ich in einer Einrichtung der Lebenshilfe wohne, habe ich meine Handicaps aber reduzieren können.“ Horst Bessel ging noch einen Schritt weiter: Er hofft, dass sich die Rahmenbedingungen nach und nach so ändern, dass in 50 Jahren keine Lebenshilfe mehr gebraucht wird.

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