Willich Eine „freche Berliner Göre“ blickt zurück

Die Willicherin Marianne Bieniek (85) hat ihre Lebenserinnerungen als Buch verfasst.

Willich: Eine „freche Berliner Göre“ blickt zurück
Foto: Lübke

Willich. Schauspieler machen es, Politiker, Sportler und andere Promis — und jetzt hat auch Marianne Bieniek ihre Biographie geschrieben. Die gelernte Kinderkrankenschwester hat von der Kempener Journalistin Christiane Willsch so manchen guten Tipp bekommen und angenommen. Kein Wunder, dass ein gelungenes, leicht lesbares Buch mit dem Titel „Ode an die Freiheit“ entstanden ist mit einem schönen Layout und vielen Fotos. Und es ist erstaunlich, wie ereignisreich das Leben der rüstigen 85-Jährigen rückblickend gewesen ist, wenn auch nicht immer im positiven Sinne. Vieles von damals scheint heute kaum noch nachvollziehbar. Weil das so ist, ist die „Ode an die Freiheit“ auch eine lohnende Lektüre für jüngere Menschen.

Marianne Bieniek nimmt die Leser mit auf eine Zeitreise, die zum Teil atemberaubend ist. Die Autorin, die 1932 in Berlin geboren wurde und als „freie, freche Berliner Göre“ aufwuchs, erinnert sich an ihre schwersten Zeiten. „Wir Kinder sind im Krieg nach Neuhaus an der Elbe evakuiert worden “, erzählt die 85-Jährige. Und sie hat nicht vergessen, wie sie mit anderen Mädchen und Jungen in einer Kneipe auf den Tresen gesetzt wurde und die Dorfbesucher sich „ihre Kinder“ aussuchten.

Den 16. April 1945 wird sie niemals vergessen: „Wir Kinder hörten die amerikanischen Tiefflieger, warfen uns auf den Boden. Mein ein Jahr älterer Bruder Kristian sollte nicht mehr aufstehen — er verblutete mit zwölf Jahren, galt als Gefallener.“ Auch ihr späterer Ehemann Hannes verlor im Krieg einen Bruder.

Selbst die Erinnerung an die kirchliche Hochzeit am 31. Dezember 1955 ist nicht ungetrübt: „Meine Schwiegermutter kam nicht damit klar, dass ich evangelisch bin — sie blieb der Hochzeit fern, obwohl wir katholisch getraut wurden.“

Aber die Autorin schaut auch auf schöne Momente zurück: 1956 wurde ihrem Mann der Doktortitel verliehen, wenig später brachte die Bild-Zeitung ein Foto, auf dem zu sehen ist, wie der Veterinär bei einem Pferd eine Zahnbehandlung durchführt. Das Foto erschien am 27. Januar 1957, dem Tag, als Marianne Bieniek ihr erstes Kind, Kristian, zur Welt brachte. Der Sohn studierte Medizin und Zahnmedizin und behandelt nicht Pferde, sondern Menschen. Zwei weitere Kinder kamen zur Welt, Matthias und Julianne. Als ihr Mann 1961 eine Stelle im Veterinäruntersuchungsamt in Krefeld annimmt, zieht die Familie an die Grunewallstraße.

Der Schüleraustausch mit Familien in Tours wird für Marianne Bieniek zur Berufung. Mehr als 25 Jahre engagiert sie sich dafür und bekommt zum Dank die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland. Später investiert die Familie viel Zeit in die Ferienimmobilien in Frankreich und Italien. Marianne Bieniek arbeitet als Krankenschwester, während ihr Mann die Tierversuchsanstalt an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität aufbaut. Um die Haushaltskasse aufzubessern, hatte das Paar, das 62 Jahre verheiratet ist, von 1964 bis 1975 auch eine Nerzfarm auf dem Hover-Hof betrieben. Sind Träume unerfüllt geblieben? „Ich hätte vielleicht studieren sollen“, sagt die Autorin, die auch leidenschaftliche Leserbrief-Schreiberin ist.

Das Buch „Ode an die Freiheit“ kostet 18 Euro. Im März ist eine Lesung in der Willicher Buchhandlung geplant. Der genaue Termin steht noch nicht fest.

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