St. Tönis Einblicke in die Psyche junger Angeklagter

Im St. Töniser Mordprozess hatte am Donnerstag der Gutachter das Wort: Gleich viermal kommt Jugendstrafrecht zur Anwendung.

St. Tönis: Einblicke in die Psyche junger Angeklagter
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St. Tönis. Fortsetzung des Prozesses um den getöteten Rentner an der Grenzstraße in St. Tönis im Oktober 2014: Das waren aufschlussreiche Einblicke in die Psyche zweier Angeklagter, die der Gutachter am Donnerstag vor der großen Strafkammer präsentierte.

Sind Madonna R. aus Bergheim und Murat C. aus Straelen schuldfähig? Wenn ja: Muss noch Jugendstrafrecht angewendet werden? Das sind Fragen, die deutliche Auswirkungen auf das mögliche Strafmaß der beiden haben können.

Die 21-jährige Madonna R. zeige eine „erstaunliche Bandbreite an Emotionen“, berichtete der Sachverständige. Im Wortschatz sei sie dagegen limitiert. Auf die Tat angesprochen wirke sie sehr betroffen.

Die junge Frau hatte angegeben, Stimmen zu hören. Besonders die ihrer Großmutter. Bisweilen habe sie auch optische Halluzinationen. Beides, so der Experte, könne durch eine Abtreibung ausgelöst sein, die die Frau hatte vornehmen lassen. Derartige Phänomene seien im Übrigen nicht so selten. „Zehn Prozent der Bevölkerung haben Halluzinationen“, so der Sachverständige. Eine zunächst vermutete paranoide Schizophrenie könne er nicht bestätigten.

Bei einem Intelligenztest habe Madonna R. die ersten Aufgaben problemlos bewältigen können. Schwierigkeiten habe sie bei analysierenden Strategien. Besser werde es, wenn man sie an die Hand nehme. Ihre Intelligenz beurteilte der Psychologe als „durchschnittlich“.

Bei einem weiteren Test habe sich gezeigt, dass sie von den eigenen Fähigkeiten nicht sehr überzeugt sei. Sie fühle sich von außen gesteuert, sei „nicht durchsetzungsfähig“. Sie sei tatsächlich sehr beeinflussbar lautete der Befund des Experten. Das gelte auch innerhalb der Familie. „Durch die U-Haft hat sie schon eine Distanz zur Mutter entwickelt“, hieß es. Sie sei noch nicht erwachsen. Von daher kommt wohl Jugendstrafrecht zur Anwendung. Der Gutachter sah zudem keinerlei Grund für eine Schuldunfähigkeit.

„Er wurde sehr verwöhnt.“ So begann der Gutachter die Einschätzung von Murat C. Der habe ihm erzählt, er werde immer unter Druck gesetzt. Er sei ein „gutmütiger Mensch“, der sich als „Opfer“ für andere eigne. „Er stellt sich sehr im Sinne der sozialen Erwünschheit dar“, so der Experte. So gab Murat C. in den Gesprächen an, er sei lediglich ins Haus geeilt, um dem Rentner zu helfen. Auch dafür sei er von den Mittätern attackiert worden.

Der Gutachter attestierte dem jungen Mann, er sei gegenüber den Eltern nicht eigenständig. Um diese Situation zu beschreiben, zitierte aus einem anderen Fall: „Er sucht die Befreiung aus der liebevollen Gefangenschaft der Mutter.“ Auf der anderen Seite habe er immer wieder im Bett der Mutter geschlafen.

Murat C. sei eindeutig nicht erwachsen, auch für ihn käme Jugendstrafrecht zur Anwendung. Eine psychische Störung liege nicht vor. Womit er schuldfähig wäre.

Für Hasrit S. aus Straelen kommt ebenso Jugendstrafrecht zur Anwendung wie für Meto K. aus Weeze. Nach Erwachsenenrecht wird für Almir R. geurteilt.

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