Ein „und Tschüss“ mit Wehmut

Am 29. Juni feiert die Tönisvorster Realschule ihren Abschied aus der Schullandschaft.

Tönisvorst. Gestern hatten Marcel Baj und Vinz Deutzmann „Wichtigeres“ zu tun, als an der Mathestunde teilzunehmen. Sie verteilten im Auftrag der Realschule Leonardo da Vinci Plakate in der Stadt. Vorschau auf den letzten Vorhang.

Ein „und Tschüss“ mit Wehmut
Foto: Friedhelm Reimann

„1970 - 2018. Nach 48 Jahren verabschiedet sich die Realschule Leonardo da Vinci aus der Schullandschaft Tönisvorst.“ So steht es auf der öffentlichen Einladung an alle, die sich mit der Schule verbunden fühlen. Und die am 29. Juni ab 19 Uhr im Forum des Schulzentrums ihre Realschulzeit in Tönisvorst feiern wollen, ehe die sich als langjährige Angebotsform in der Stadt auflöst.

Marcel (18) ist Schülersprecher, Vinz (16) sein Stellvertreter. Sie kennen sich seit sechs Jahren, seit Klasse 5. Zunächst waren sie zwei von weit mehr als 1500 Schülern am Schulzentrum Corneliusfeld. „Das große Gebäude war anfangs schon sehr verwirrend“, erinnert sich Marcel an die ersten Jahre.

Als die Realschule zum Standort Kirchenfeld umzog, wurde es „viel ruhiger und angenehmer.“ Im letzten Jahrgang kenne quasi jeder jeden. „Ein Namenschild braucht niemand mehr“, sagt Marcel. Die 95 Schüler und ihre Lehrer seien zu einer engen Gemeinschaft gewachsen. Das Wir-Gefühl habe sich verstärkt.

Vinz: „Ich habe mich am Kirchenfeld mehr als Realschüler gefühlt als im Schulzentrum.“ Und Marcel sagt: „Ich war vor dem Umzug skeptisch, aber es war besser als gedacht.“ Abgesehen von Raumwechseln durch laufende Renovierungsarbeiten und vom schlechten Zustand mancher Klassenräume und des Toilettengangs.

Nun sind es nur noch wenige Tage, in denen die Beiden und ihre Mitschüler den Weg zur Schule antreten. Im Juli ist Schluss. Der zehnte Jahrgang tritt ab. Vinz: „Irgendwie auch cool, dass wir die Letzten der Schule sind.“ Das, sagen beide, wollen die Schüler auch feiern.

Zum Beispiel in der Mottowoche vor dem offiziellen Festakt am 29. Juni, wenn sie montags „verschlafen“, dienstags als Kindheitshelden, mittwochs als „Ich in 20 Jahren“ aufkreuzen und den Donnerstag zum „Beachday“ machen.

Vinz schließt eine Ausbildung zum Dachdecker an. „Ich habe mich erst vor kurzem bei Thommessen in Vorst beworben, in den Pfingstferien zur Probe gearbeitet. Ich hab’ die Ausbildungsstelle.“ Ab September für drei Jahre. „Das ist ein Gefühl von Freiheit, die Schulzeit hinter sich zu lassen. Ich möchte jetzt auch mein eigenes Geld verdienen.“

Marcel, der erst vor dem Wechsel zur weiterführenden Schule mit seiner Familie aus Polen nach Deutschland kam und Deutsch gelernt hat, wechselt zum Berufskolleg Rhein-Maas nach Kempen. Er schlägt die Fachrichtung „Wirtschaft und Verwaltung“ ein. 60 Prozent der Schüler, schätzen die beiden Sprecher, werden weiter zur Schule gehen.

Zur offiziellen Abschlussfeier wird Marcel wahrscheinlich im Chor auftreten. Eine Klassen-interne Abschlussfete soll folgen: „Vielleicht gehen wir als 10 a zelten. Jetzt oder in einem Jahr. Mal sehen.“

Doppelten Abschied feiert auch Claudia Gerke von der Realschule. Seit sechs Jahren ist ihre Tochter dort. Sie als Mutter engagiert sich in der Elternvertretung, seit zwei Jahren als Schulpflegschaftsvorsitzende.

„Die Realschule hat einen sehr guten Ruf gehabt.“ Die Ameldung ihrer Tochter dort geschah darum bewusst, auch wenn die Entscheidung genau in die Phase fiel, als die hitzige Debatte um das künftige Schulangebot in der Stadt im Gange war. „Wir Eltern waren damals verunsichert.“

Gerke spricht im Rückblick von einer „Hau-ruck-Entscheidung der Politik“. Dass eine „gut funktionierende Schule“ schließen müsse, weil man sich in der Stadt auf ein nicht fertiges Konzept Sekundarschule eingelassen hat, bedauert sie. Die Umwandlung in eine Gesamtschule begrüßt sie.

Für die Eltern, so Gerke, seien die vergangenen Jahre eine intensive Realschulzeit gewesen. „Ich danke Schulleiterin Ricken und dem Kollegium, dass sie bis zum Schluss einen qualitativ hochwertigen Unterricht gewährleistet haben. Das dies nicht gelingt, war aus Elternsicht unsere größte Sorge. Sie hat sich zum Glück nicht bestätigt.“ Jetzt mache sich Wehmut breit.

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