Ein Jubiläum mit Bodenhaftung

Der Arbeitskreis Fremde setzt sich seit 25 Jahren für die Anliegen von Flüchtlingen ein.

Ein Jubiläum mit Bodenhaftung
Foto: Reimann

Willich. Manchmal muss man hoch hinaus, um den Blick frei zu haben. Um sich einen Überblick zu verschaffen und zu sehen, wo, für wen und mit wem man arbeitet. 2015 ging es für den Arbeitskreis Fremde in der Stadt Willich hoch hinaus. Der AKF feierte die Einweihung seines neuen Zentrums im siebten Stock des ehemaligen Schwesternwohnheims am Krankenhaus, Bahnstraße 28. Eine Feierstunde in der Vereinsgeschichte. Sozusagen Integration mit Weitblick.

Ein Jubiläum mit Bodenhaftung
Foto: Kurt Lübke

Denn von dort oben hat man eine unverstellte Sicht auf Alt-Willich, auf viele Dächer, unter denen Ur-Willicher und Neuzugezogene wohnen. Ganz nah ist das ehemalige Katharinen-Hospital, in dem aber keine Kranken mehr gesund gepflegt werden. Das Gebäude nimmt als Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) in NRW bis zu 400 Flüchtlinge für eine Übergangszeit auf. Die Einrichtung erfolgte durch die stark gestiegene Zahl an Flüchtlingen, die Deutschland seit 2015 aufgesucht haben und es weiter tun.

Allein diese Einrichtung zeigt, wie intensiv und wechselhaft die Anforderungen auch an den AKF in der Flüchtlings- und Asylarbeit in Willich waren und sind. Seit 1993. Seit 25 Jahren. Am Freitag feiert der Verein, der laut Homepage zurzeit 81 Mitglieder hat — plus freiwilliger Helfer, plus vieler aktiver Flüchtlinge — dieses Jubiläum. Gefeiert wird mit Bodenhaftung: Den Sektempfang im Pfarrzentrum St. Maria in Neersen nimmt der Vorstand des AKF mit Gisela Michels (1. Vorsitzende), und Gaby Petersen (2. Vorsitzende) als Gelegenheit wahr, „unseren Unterstützern und Förderern Danke zu sagen“.

Ein Rückblick: Anfang bis Mitte der 1990er Jahre nahm Deutschland Bürgerkriegsflüchtlinge aus den Gebieten des ehemaligen Jugoslawiens auf. Der Arbeitskreis Fremde gründete sich, setzte sich damals das Ziel, Asylbewerber, Flüchtlinge und Aussiedler, die sich in der Stadt Willich aufhalten, zu unterstützen. Und schrieb sich in die Satzung: „Er will die Akzeptanz von Fremden in unserer Gesellschaft fördern.“ Dachverband des Vereins ist die Caritas.

Der AKF will Hilfe zur Selbsthilfe leisten, die Eigenverantwortlichkeit einfordern und fördern. „Wir stehen für Toleranz, Respekt und Wertschätzung — unabhängig von Herkunft, Hautfarbe und Religion.“ Viele Schicksale haben die Engagierten hautnah miterlebt. In den Jahren starker wie schwächerer Flüchtlingsströme. 2008 beispielsweise ging es auf einer Jahreshauptversammlung um Marwa Kolin, Asylbewerberin aus Syrien. Die 20-jährige Schülerin lebte damals mit ihren Eltern und Geschwistern seit sieben Jahren in Willich. Sie sprach fließend Deutsch, wollte ihr Abitur machen und hatte ein Problem: Sie hatte noch kein Bleiberecht. Ein Fall für die damalige Vorsitzende Ute Pelosi und ihr Team.

Wie auch der eines 17-jährigen früheren Kindersoldaten aus Sierra Leone, für den ein Bleiberecht erstritten werden konnte. Der junge Mann, so die Erfolgsmeldung, habe eine Lehrstelle als Koch gefunden.

Immer wieder klingt in Jahresberichten an, dass sich die Zusammenarbeit mit der Stadt Willich gut entwickelt habe. Entschieden hatte sich der AKF allerdings gegenüber der Stadt dafür eingesetzt, Flüchtlingen Bargeld statt Gutscheine auszuzahlen. Über die Jahre hat der Verein ein dichtes Netz an Helfern, Ehrenamtlern und Fachleuten in Willich geknüpft. Die Aufgaben sind mit den Jahren und Anforderungen vielfältiger geworden: AKF-Mitglieder begleiten Asylbewerber zu Behörden, Beratungsstellen, Kliniken, Ärzten oder Therapeuten. Sie kümmern sich um das Zusammenleben in den Unterkünften der Stadt — so beispielsweise am Bahnhof in Anrath. Deutschkurse werden angeboten. Zu den Projekten des AKF zählen die Kleiderkammer, die Fahrrad-Reparatur, Schüler- und Kunstprojekte. Regelmäßig finden Feste, Kreativ- und Sportangebote statt.

Die Vereinsgeschichte des AKF ist vor allem eine Geschichte willensstarker und engagierter Frauen: Erste Vorsitzende war Mirjam Hufschmidt, gefolgt von Martin Müller und Ute Pelosi. Ihr folgte Jutta van Amern (2012-2016). „Der Verein ist sehr groß geworden und erfährt sehr viel Zuspruch. Dieses Miteinander ist eine tolle Sache“, sagt van Amern, die sich mittlerweile in die zweite Reihe zurückgezogen hat, und meint das Engagement vieler Bürger und der Vereinsmitglieder. In den vergangenen Jahren seien viele „lange Zeit über die Grenze des Möglichen gegangen“. Das habe Kraft gekostet. Aber die Hilfe der Helfer und der Flüchtlinge untereinander sei groß.

Anfang 2017 übernahm Gisela Michels, die seit 1993 dem Verein angehört, den Vorsitz. Sie wird im Vorstand von fünf Frauen und einem Mann unterstützt. Am Freitag erwartet sie 90 Gäste.

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