St. Tönis Ein „Dino“ geht in den Ruhestand

Ende des Monats wird der evangelische Pfarrer Renz Schaeffer in St. Tönis verabschiedet. Ein Blick zurück und nachvorn.

St. Tönis: Ein „Dino“ geht in den Ruhestand
Foto: Reimann

St. Tönis. Als Renz Schaeffer nach St. Tönis kam, war die Welt noch eine andere. Bürgermeister war Richard Beckers, Schaeffers katholischer Amtsbruder hieß Benno Chrobasik. Namen, die nur noch die Älteren kennen. Zu denen auch Renz Schaeffer gehört, der scherzhaft von sich selbst sagt, er sei ein „Dinosaurier“. Ende Januar geht der evangelische Pfarrer in den Ruhestand. Mit der WZ schaute er auf bewegte 35 Jahre zurück, riskierte aber auch einen Blick nach vorn.

St. Tönis: Ein „Dino“ geht in den Ruhestand
Foto: Kurt Lübke

„Es war vieles im Umbruch“, erinnert sich der 65-Jährige. Die Hochstraße sei noch nicht lange Fußgängerzone gewesen, die evangelische Kirche befand sich in einem Zustand von 1953. „Kein Vorraum und vor allem keine Toilette, heute undenkbar“, sagt der Geistliche. Sogar über ein weiteres Gemeindezentrum sei damals nachgedacht worden. Viele Neubaugebiete waren noch nicht erschlossen.

Und die Menschen? „Das kommt mir heute noch teilweise unwirklich vor, mit welcher Hochachtung man mir begegnete“, erzählt Schaeffer. Auch der Vertrauensvorschuss sei sensationell gewesen. Da habe wahrscheinlich geholfen, dass er ins katholische Rheinland kam und bei der anderen Fakultät die Priester eine noch herausragendere Position hatten. Überhaupt sei die Tatsache, dass die Gemeinde in der Diaspora lag, „von Vorteil“ gewesen“.

Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass es ihn an den Niederrhein verschlagen hat? „Ich habe lange in Rheinberg gelebt. Allerdings kannte ich St. Tönis nur von ein paar Obstbauern, die dort beim Wochenmarkt auftauchten“, erinnert er sich. Nach seinem Studium wurde eigentlich dringend ein Pfarrer in Oberhausen gesucht. „Ich wollte aber nicht ins Ruhrgebiet.“ Mit einem Ringtausch gelang es Schaeffer schließlich, nach St. Tönis mit seinen rund 4000 Gemeindegliedern zu kommen. Wo er im ersten Jahr noch Hilfsprediger war.

Renz Schaeffer, evangelischer Pfarrer von St. Tönis

Wie beeinflusste ihn die Zeit in den 60er Jahren, in denen er aufwuchs und zur Schule ging? „Sehr. Ich war emanzipatorisch sehr geprägt“, erinnert er sich. Man nimmt’s ihm ab, im Bücherregal seines Arbeitszimmers in der neuen Wohnung am Haferkamp liegt ein echtes Schätzen, das aus dieser Zeit berichtet: „Keiner kommt hier lebend raus“ ist die Biografie über Jim Morrison, den legendären Sänger der noch legendäreren Band The Doors („The End“, „Riders on a storm“). Und auch Dinge wie die Befreiungstheologie spielten für Schaeffer eine große Rolle.

Es sind die vielen Schicksale, die bewegenden Lebensläufe, die haften blieben. „Wenn ich an die Menschen denke, die aus dem Osten als Flüchtlinge gekommen sind. Da käme heute sofort das Trauma-Team“, so der Pfarrer. „Aber für eine Bewältigung hatten die Menschen häufig keine Zeit. Sie mussten arbeiten, anpacken.“ So sei auch zu erklären, dass viele ihre Traumata ihr Leben lang mit sich herumtrugen.

Haben sich die Menschen in den Jahren geändert? Ja und Nein. „Die Leute sind viel direkter, sagen schneller, was sie nicht wollen. Das trägt auch dazu bei, sich eine Position zu sichern.“ Das sieht der Geistliche als Fortschritt. Was geblieben ist: „Wir alle sind abhängig von Trends und Moden, die Jüngeren sowieso, aber das gilt auch für Senioren.“ Heute seien Ältere eben nicht mehr Ältere.

Was eine Zukunftsprognose angeht, stellt die sich für den St. Töniser als ausgesprochen optimistisch dar. „Auch wenn’s für Kirche und Religion nicht gut aussieht. Aber vielleicht hilft uns ja der Zuzug der vielen Menschen aus dem islamischen Einflussbereich, über unsere eigenen Wurzeln nachzudenken.“ Wenn die einem klar seien, brauche niemand Angst vor der Zukunft zu haben. „Die entscheidenden Fragen wurden in der Bibel bereits alles gestellt und beantwortet.“ Er könne nur dazu aufrufen, selbstbewusst zu sein.

Ein wenig skeptisch dagegen ist Schaeffer, wenn er den Trend zum immer Individuelleren sieht. „Da will jeder das Rad neu erfinden.“ Hier mache sich etwas wie Privatreligionen breit.

Positiv fällt Schaeffers Fazit bezüglich der Ökumene aus. Die lag ihm immer am Herzen und hier habe er bei den Amtsbrüdern offene Ohren gefunden. Bis in die aktuelle Zeit: Am Sonntag wird er in der katholischen Abendmesse die Ansprache halten.

Wie sehen die Zukunftspläne aus? „Auf jeden Fall bleiben wir zunächst mal hier“, sagt Schaeffer. Zwar habe er mal über einen Umzug in die Niederlande nachgedacht — seine Frau stammt von dort und arbeitet auch da — aber das lasse sich nicht umsetzen. Er könne sich vorstellen, zu den Themen Kirche und Theater zu publizieren. „Ansonsten will ich alles im Griff behalten“, lacht er, um hinterherzuschieben: „Natürlich geht das nicht.“

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