Tacksee Ein Bad mit eigenem Bahnhof

Vor 90 Jahren wurde mit dem Tacksee in St. Tönis eine Badeanstalt eröffnet. In den 60er Jahren wurde das Gewässer zugeschüttet.

St. Tönis. Sommerzeit war in St. Tönis früher auch Badezeit - und das unter freiem Himmel, mehr als 40 Jahre vor dem Bau des Hallenbads. Der Name des Gewerbegebietes Tacksee verrät bis heute die Nutzung an diesem Ort.

Dort, wo man heute einkaufen kann, wurde früher geschwommen. Und die Anfänge liegen nun bereits 90 Jahre zurück. Wie der Heimatbund St. Tönis in seinem Heimatbrief 146 aus dem Jahr 2001 zu berichten weiß, ist im Verwaltungsbericht 1926/27 der Gemeinde St.Tönis nachzulesen, dass im August 1926 ein Strandbad eröffnet wurde, von dem es „am ganzen Niederrhein wohl kaum ein zweites gibt“.

Der Gemeinderat mit dem damaligen Bürgermeister Dr. Mauss beschloss, das Baggerloch der Ziegelei Schlungs in ein Freibad zu verwandeln. In dieser Zeit herrschte eine hohe Arbeitslosigkeit. Und so schafften rund 40 Erwerbslose die Umsetzung dieses Plans in fünf Wochen.

Geöffnet wurde das Strandbad Tacksee von 7 Uhr morgens bis zum Eintritt der Dunkelheit. Allerdings nicht für alle Bürger gleichzeitig. Denn auf die Einhaltung der guten Sitten wurde genau geachtet. Darum durften die Männer sonntags, dienstags, donnerstags und samstags schwimmen, die Frauen waren montags, mittwochs und freitags willkommen.

Das änderte sich allerdings kurz darauf schon. Ein Zaun, der durch das Wasser gezogen wurde, verhinderte, dass sich die Geschlechter zu nahe kamen. Jedenfalls in der Theorie. „Wir haben tief Luft geholt und sind unter den Zaun getaucht, haben bei den Mädchen an den Beinen gerüttelt und sind dann wieder zurück“, erinnerte sich vor Zeitzeuge Willi Geraedts aus St. Tönis.

In den Gründungsjahren war die DLRG Ortsgruppe St. Tönis, die wohl zwischen 1933 und 1935 entstanden ist, am Tacksee tätig und sorgte dort für die Sicherheit der Badegäste. Nicht nur bei den St. Tönisern, auch bei Besuchern aus der Umgebung war das Schwimmbad beliebt. Mit der Krefelder Eisenbahn konnte man bequem anreisen. Neben dem Bahnhof Wilhelmplatz gab es ein paar hundert Meter weiter noch einen Haltepunkt St. Tönis-West.

Dorthin brachte der Zug die Menschen, die dann nur noch wenige Gehminuten vom Sprung ins kühle Nass trennten. Der Haltepunkt lag im Übrigen auf dem Weg nach Süchteln, eine Verbindung, die der Schluff noch Jahre bediente.

Wenn dann noch das Wetter mitspielte, war der Andrang wirklich riesig. Wo konnte man sonst schon bei großer Hitze in 20 Grad kühles Wasser springen? Dabei wurden die Gäste sehr genau beobachtet. Bademeister war der legendäre Hoffmanns Pitter — mit umhängender Pfeife und weißer Schirmmütze eine echte Respektsperson.

Ab 1940 war es dann aber vorbei mit dem Badespaß. Ein Wirbelsturm zerstörte das Strandbad. Der Zweite Weltkrieg trug ebenfalls zum endgültigen Aus des Strandbads bei - zumindest gilt das für den offiziellen Schwimmbetrieb. Dass St. Töniser dort einfach wild baden gingen, verhinderte weder ein Zaun noch die Polizei, die gelegentlich vorbeischaute. Anfang der 60er Jahre hat man den teilweise 14 Meter tiefen Baggersee sowie auch die größten Teile des flachen Badesees dann zugeschüttet.

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