Tönisvorst Bürgerbus — für viele unverzichtbar

Ankommen hat mit Pünktlichkeit zu tun. Auch damit, Platz in der Gemeinschaft zu finden. Auf den Bürgerbus trifft das in vielerlei Hinsicht zu.

Tönisvorst: Bürgerbus — für viele unverzichtbar
Foto: Reimann

Tönisvorst. „Was ist das wieder für ein Wetter?“ „Und der Verkehr!“ „Was steht Neues in der Zeitung?“ Das sind EinsteigerThemen. Denn der Bürgerbus Tönisvorst ist eine rollende Informationsdrehscheibe. Jeder, der ein Stück des Weges in dem Transporter zurücklegt, ist nach dem Ausstieg im doppelten Sinne wieder auf dem Laufenden. Er ist am Ziel angekommen und weiß Bescheid.

Tönisvorst: Bürgerbus — für viele unverzichtbar
Foto: kul

„Es gibt Fahrgäste, die fahren für die 1,30 Euro eine komplette Runde, nur um zu erzählen. Der Bürgerbus ist eben eine kleine Kommunikationszentrale“, sagt Wolfgang Schouten, Ordnungsamtsleiter von Tönisvorst und Bus-Fan der ersten Stunde.

Tönisvorst: Bürgerbus — für viele unverzichtbar
Foto: Friedhelm Reimann

Der Bus kommt auch bei den Bürgern an. Nicht nur nach Fahrplan an der nächsten Haltestelle. Er ist für viele in der Stadt, die ohne diesen fahrbereiten Pendelservice nicht in die Stadt zum Einkaufen oder zum Friedhof, zum Krankenhaus und zur Arztpraxis am Wasserturm kämen, unverzichtbar geworden.

Tönisvorst: Bürgerbus — für viele unverzichtbar
Foto: Friedhelm Reimann

Der Bürgerbus ist eine Erfolgsgeschichte. Eine vom Ankommen, Weiterkommen und von verlässlicher Begleitung. Seine erste Runde in Tönisvorst machte er am 21. Dezember 1999 — vor 18 Jahren.

Tönisvorst: Bürgerbus — für viele unverzichtbar
Foto: Kurt Lübke

Ankunft

Dabei war seine Einführung in der Stadt kein „Selbstfahrer“. Als Verwaltungsmitarbeiter Wolfgang Schouten 1998 die Idee zu diesem Zusatzangebot des Öffentlichen Personennah-Verkehrs von einer Informationsveranstaltung im Kreis Kleve mit nach Tönisvorst brachte, lief er keine offenen Türen ein. Zu viele Bedenken.

„Ich brachte ja nur die Grundidee und keine Blaupause aus Geldern mit.“ Aber das Angebot erschien ihm optimal, den zu der damaligen Zeit beantragten Disco-Bus zu einem viel breiter angelegten Angebot für alle Bürger in der Stadt aufzustellen. „Ich musste damals dicke Bretter bohren“, sagt Schouten. Ein Befürworter und Unterstützer in der Politik sei Horst von Brechan gewesen.

Skepsis habe auch innerhalb der Verwaltung geherrscht. Der Kostenfaktor war ein Thema. Und die Frage, ob sich denn überhaupt genügend ehrenamtliche Fahrer melden würden. „Das findet sich“, sagte Schouten, sicher, dass die Idee ankommt. Er rechnete hoch: Eine Stadt wie Tönisvorst mit 30 000 Einwohnern brauche ein Promille an Leuten, also 30 Fahrer. „Dann läuft’s.“ Heute hat Schouten 38 Fahrer in der „Verfügbar-Liste“, darunter zehn Frauen, die alle Freizeit für ihre Fahrzeiten opfern und keinen Cent dafür bekommen.

Wolfgang Schouten, Geschäfts- führer des Bürgerbusvereins

Lohn, sagt Schouten, sei für das Team der Dank der Fahrgäste. „Kinder, die bei schlechtem Wetter zur Schule fahren“, ältere Menschen, die nicht mehr Auto fahren, aber anders nicht zum Arzt kommen. Die Ankunft und Abfahrt des Bürgerbusses ist ihre Mobilitätsgarantie. Und das verlässlich im Stundentakt. Schouten: „Einfach zu merken. Das ist entscheidend!“

In einem Sternensystem durchfährt der Bürgerbus vier Gebiete, immer hinein und wieder hinaus. Alle 15 Minuten ist er am Hauptumschlagort, dem Wilhelmplatz. Dorthin bringt der Transporter beispielsweise Pendler, die aus umliegenden Wohngebieten kommen und mit der Straßenbahn weiter zur Arbeit fahren.

Nach Ankunft hat der Bürgerbus dort drei Minuten Standzeit, bei Verspätung pendelt er sich wieder in den vorgeschriebenen Fahrplan ein.

Acht Sitzplätze hat der Bus - in den 18 Jahren hat es, so Schouten, „keine zehn Fälle gegeben, in denen mal Gäste keinen Platz mehr gefunden haben und draußen stehenbleiben mussten“. Dann aber, so Schouten, bringe der Busfahrer seine Gäste zum Wilhelmplatz und fahre zurück, um die Wartenden zu holen.

Die Taktung habe sich eingespielt. Wichtige Regel im Minuten-Spiel von Ankunft und Abfahrt: „Nie zu früh an der Haltestelle sein.“

Die Adventszeit sei immer eine besondere, sagt Schouten. Dann gebe es von den Stammkunden kleine Präsente für die Freiwilligen am Steuer. „Da äußert sich die Dankbarkeit einer alten Dame in einer Tafel Schokolade.“

Batterie leer? Reifen platt? Ankommen ist das Eine, Weiterkommen das Andere. Auch bei technischen Defekten sind die Tönisvorster gut gerüstet. Ein zweiter Bus steht parat. Im Falle von Aus- und Unfällen wird der Wagenmeister angerufen. Er wechselt das Ersatz-Fahrzeug ein, damit der Fahrplan eingehalten werden kann, und kümmert sich um die Reparatur des anderen.

Unfälle habe es in den ganzen Bürgerbus-Jahren kaum gegeben — „mal ein Spiegel angefahren, aber größere Dinge nicht und keine Verletzen“, sagt Schouten.

Fünf Busse waren bisher in der Stadt im Einsatz. Tönisvorst hat 1999 mit Ankunft und Anrollen des Bürgerbusses die Vorreiterrolle im Kreis Viersen übernommen. Nachahmer des Systems fanden sich schnell. Auch im Stadtgebiet von Willich fahren Bürgerbusse.

In der Kilometerleistung ist der Tönisvorster Bürgerbus längst über die Millionengrenze. Er hat sie auf dem Gesamttacho geknackt. „Es sind schon fast 1,2 Millionen Kilometer zurückgelegt“, so Schouten. Die Stop-and-go-Zeiten des Busses von 7.30 und 18.30 Uhr haben bisher 410 000 Fahrgäste in Anspruch genommen.

Viele tausend Ein- und Ausstiege haben die Fahrer der ersten Stunde, zu denen beispielsweise Gerd Rütten und Manfred Hofmann gehören, erlebt. Schouten selbst hat offiziell noch keinen Bürger in der Stadt von A nach B gefahren. Aber wenn ein neuer Bus ankommt, dann lässt er sich die Probefahrt nicht entgehen.

Bei Umfragen bekommt der Bürgerbus beste Noten. Nutzer sehen die große Stärke des alternativen Nahverkehrs-Angebots: Nicht nur die wenigen Hauptstraßen werden befahren, sondern vor allem die vielen kleinen Nebenstraßen.

Wer fremd in der Stadt ist, schätzt die Ortskenntnis der Fahrer und die Garantie, dort anzukommen, wo man hinwill — nach einer schönen kleinen Stadtrundfahrt in der kleinen Kommunikationszentrale.

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