Kempen Wo Fahrradschläuche zu Vasen werden

Der Designer Gregor Halberstadt entwirft Produkte aus Material, das sonst auf dem Müll landen würde. Upcycling nennt sich das.

Kempen: Wo Fahrradschläuche zu Vasen werden
Foto: Kurt Lübke

Kempen. Die Garderobe im Flur besteht aus Teilen eines Kunststoff-Fasses. Dereinst wurden darin Peperoni aus Griechenland importiert. Das Schlüsselbrett ist aus einem Fahrradschlauch gefertigt worden — das Ventil ist der Haken an der Sache. Und die Kugelschreiber auf dem Tisch hat Gregor Halberstadt scheibchenweise aus einem ausgedienten Skateboard gewonnen. „Upcycling“ nennt sich das, was der 33-jährige Produktdesigner beruflich macht: Er entwirft Möbel, Schmuck und Einrichtungsgegenstände aus Restmaterialien, die sonst auf dem Müll gelandet wären.

„Eine scharfe Sache“, sagt Gregor Halberstadt und grinst. Im Blick hat er seine „Peperoni-Garderobe“, die zu 100 Prozent aus Altmaterial besteht. Neben dem spiralförmigen Kunststoffband, das er aus dem besagten Fass gewonnen hat, kommen auch Holzleisten aus einem kaputten Lattenrost und Verschnitt aus einer Schlosserei zum Einsatz.

Für Halberstadt sind die Geschichten, die hinter den verwendeten Materialien stecken, das Besondere an seinen Objekten. „Und natürlich der Nachhaltigkeitsgedanke“, sagt der Kempener: „Es gibt genügend vermeintliche Abfälle, aus denen man tolle Sachen machen kann.“

Müll vermeiden, indem man daraus neue Produkte entwickelt, an denen wiederum andere Gefallen haben — dieser Gedanke hat Gregor Halberstadt schon während seines Designstudiums in Krefeld fasziniert. Zuvor hatte er den Beruf des Glasmalers gelernt und ausgeübt — unter anderem in Kevelaer. „Doch es reichte mir irgendwann nicht mehr, nur die Entwürfe von Künstlern umzusetzen: Ich wollte eigene Sachen machen“, erzählt er.

Nach dem Studium in Krefeld, das er 2012 mit dem Bachelor abschloss, begann Halberstadt mit seiner Tätigkeit als freiberuflicher Designer. Nebenbei arbeitete er weiter als Glasmaler. Nach ersten Design-Erfolgen mit Auszeichnungen in Wien, Köln und Freiburg steht er nun davor, das Upcycling weiter auszubauen: „Ich schreibe gerade einen Buisness-Plan, will das Thema gemeinsam mit einem Partner richtig angehen.“

Das erste große Projekt ist schon in Vorbereitung: Eine halbe Million leere Lippenstift-Hülsen hat ein Kosmetik-Hersteller zur Verfügung gestellt, denen Gregor Halberstadt in veränderter Funktion neues Leben einhauchen möchte. Einzelheiten dazu möchte er aber noch nicht verraten.

Klar ist: „In meiner Arbeit gehe ich meist vom Material aus“, berichtet der 33-Jährige. Da ist zum Beispiel zuerst der Parkett-Abfall, der bei einem Kumpel auf dem Boden liegt — und wenig später als Kunstobjekt im Wohnzimmer des Designers an der Hülser Straße hängt. Die königsblaue Hängelampe in der Küche ist aus einem Metallfass veredelt worden. Die Blumenvase auf dem Tisch besteht aus einem Fahrradschlauch, der kunstvoll zwischen zwei Glasscheiben präsentiert wird.

„Die Schläuche hebt ein Fahrradhändler für mich auf“, berichtet Halberstadt. Ein Glaser stellt die Abfall-Scheiben zur Verfügung. Verarbeitet wird das Material dann in der heimischen Kellerwerkstatt. Zumindest im Moment noch: Da der 33-Jährige dabei ist, seine Tätigkeit auszuweiten, verlagert er die Arbeit immer öfter in eine Schreinerei in Anrath, die zur Kempener Möbeldesign-Werkstatt „Gesagt, Getan“ gehört. In deren Showroom an der Judenstraße in Kempen sind auch Halberstadts Vasen zu bekommen.

Im Moment ist Halberstadt dabei, weitere Vertriebswege für seine Produkte zu entwickeln. Unter anderem hat er einen eigenen Web-Shop eingerichtet. In Mönchengladbach war er im Advent auf dem „Clausmarkt“ vertreten.

Die Preisgestaltung ist nicht immer leicht: Es steckt viel Arbeit in jedem Stück — doch zu teuer darf es auch wieder nicht werden. Die Vasen kosten zum Beispiel — je nach Größe — zwischen 39 und 49 Euro. Der ungewöhnliche Skateboard-Kugelschreiber, eine seiner jüngsten Entwicklungen, soll um die zehn Euro kosten. Zu teuer erscheint das nicht, denn „jedes Stück ist einzeln, jedes ist ein Unikat“, wie der Designer betont. Was sich an der Garderobe „Loop“ sogar im täglichen Gebrauch zeigt. Durch das unterschiedliche Gewicht von Jacken oder Kopfbedeckungen variieren die Formen der Peperoni-Fass-Spirale — der Nutzer wird so zum Mit-Gestalter.

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