Wenn es Streit gibt am Gartenzaun

Hedwig Friedl hat als Schiedsfrau 20 Jahre lang Streitigkeiten geschlichtet. Die Zahl der Fälle nimmt immer weiter ab.

Wenn es Streit gibt am Gartenzaun
Foto: Kurt Lübke

Kempen. Nach fast 20 Jahren soll nun Schluss sein. Zwei Jahrzehnte lang hat Hedwig Friedl als Schiedsfrau in Kempen bei Streitfällen als Vermittlerin gedient. Doch die Zahl der Fälle geht zurück, so dass es nun nur noch einen Schiedsbezirk geben soll, für den Johannes Fliegen zuständig ist (siehe Info-Kasten). Hedwig Friedl steht noch als Stellvertreterin zur Verfügung.

Wenn es Streit gibt am Gartenzaun
Foto: Jens Schierenbeck/dpa

Auf der heimischen Couch von Hedwig Friedl haben schon viele Menschen Platz genommen, um ihren Streit aus der Welt zu schaffen.

Ihre ehemalige Schulfreundin, die mittlerweile verstorbene CDU-Ratsfrau Angelika Thiel-Hedderich, hatte sie gefragt, ob sie das Amt nicht übernehmen wolle. „Das Thema Recht hat mich immer schon interessiert“, sagt die Diplom-Trophologin und Berufsschullehrerin, die sich in ihrem Studium auch schon am Rande damit befasst hatte. Außerdem hatte sie damals selbst einen Nachbarschaftsstreit gehabt, bei dem sie sich benachteiligt gefühlt hatte.

Schiedsleute werden vom Stadtrat für fünf Jahre gewählt und nach der Wahl von der Leitung des Amtsgerichts bestätigt. Ehrenamtlich übernehmen diese Aufgabe Menschen, die „ihrer Persönlichkeit nach zur Streitschlichtung besonders befähigt sind“. Der Gang zum Schiedsamt ist nicht immer, aber in einigen Fällen, vorgeschrieben, bevor der Weg zum Gericht möglich wird. Dabei geht es zum Beispiel um Hausfriedensbruch, Beleidigung oder leichte Körperverletzung sowie „bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten“, zum Beispiel zwischen Nachbarn. So sollen Auseinandersetzungen unbürokratisch und kostensparend beigelegt werden. Für das Schlichtungsverfahren wird nur eine kleine Gebühr fällig.

Hedwig Friedl erhielt, bevor es losging, ein Einführungsseminar für die Schiedsaufgabe. Dazu gab es mit der Zeit immer wieder Fortbildungen.

In der Anfangszeit hatte sie bis zu 15 Fälle im Jahr. Doch dies wurde ständig weniger. Im vergangenen Jahr verhandelte sie nur noch zwei Fälle. Darum hatte sie auch vorgeschlagen, die Bezirke zusammenzulegen. Warum das so ist, das kann sie auch nicht genau erklären. Vielleicht habe sie mit dem Kempener Westen einfach einen ruhigen Bezirk. Oder es könnte auch daran liegen, dass sie immer versuche, den Sachverhalt vorab schon zu klären. Wenn es erst gar nicht zu einer Verhandlung kommen muss, sei das für alle besser.

Bei Nachbarschaftsstreitigkeiten, das hat Hedwig Friedl festgestellt, steckt meist ein tieferer Konflikt dahinter. „Dann muss der Ast über dem Zaun für Sachen herhalten, die vorher gelaufen sind.“ Bei einer Tasse Kaffee und einem Gespräch könne da im Vorfeld schon einiges geklärt werden.

Aber das geht natürlich nicht immer gut. Es gibt auch Parteien, die sich schon weigern, sich an einen Tisch zu setzen. Dann muss sie eine „Erfolglosigkeitsbescheinigung“ ausstellen und der Fall geht vor Gericht. Immer öfter würden die Beteiligten auch gleich mit ihrem Anwalt kommen. Schlechte Erfahrungen hat Hedwig Friedl damit aber nicht gemacht. „Wir sind immer gut miteinander klargekommen.“

Hedwig Friedl konnte sich mit dieser Ansage immer durchsetzen

Fälle des Strafrechts, zum Beispiel Beleidigung, gingen bei ihre mittlerweile gegen Null. Stattdessen ging es meist um Themen, die das Bürgerliche Gesetzbuch tangieren.

Probleme, sich bei Streithähnen durchzusetzen, hatte die 66-Jährige, die auch Schöffin bei der Großen Strafkammer des Landgerichts ist, nie. „Ich sage immer gleich: ’Der Einzige, der brüllt, bin ich. Sonst breche ich sofort ab.’ Und das funktioniert auch“, sagt die Schiedsfrau. Sie kennt viele Kempener, und viele Kempener kennen sie und ihren Mann, der früher ein Taxi-Unternehmen betrieben hat. Auch das sei von Vorteil. Wenn man schon wisse, mit wem man es da zu tun habe, könne man sich auf vieles sofort gut einstellen.

Lange nachgegangen sind ihr die Fälle nie. Meist sind es doch kleinere Angelegenheiten. Nur einmal hatte sie ein Ehepaar da. Die Ehefrau machte dem Mann heftige Vorwürfe. Der Mann wollte seiner Frau untersagen, diese zu äußern. Das habe sie schon beschäftigt. Eine Einigung war nicht zu erzielen. „In solchen Fällen erfährt man dann nicht, wie es ausgeht.“

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