Kempen Mit Poesie Demente „aufwecken“

Poetry-Slammer Lars Ruppel zeigte Seniorenbegleitern, wie durch den besonderen Vortrag von Gedichten Kranke erreicht werden können.

Kempen: Mit Poesie Demente „aufwecken“
Foto: Kurt Lübke

Kempen. Was verbindet einen Poetry-Slammer mit demenziell veränderten Menschen? Die 25 Teilnehmer eines Workshops mit dem bekannten Poetry-Slammer Lars Ruppel wissen es jetzt. Der 31-jährige Berliner war auf Einladung des Kempener Seniorennetzwerkes So-Net mit seinem Projekt „Weckworte“ zu Gast im Haus Wiesengrund und machte auf spannende und unterhaltsame Art deutlich, wie Menschen mit Demenz durch Poesie erreicht werden können.

Lars Ruppel

Für den Veranstalter wie auch für die Teilnehmer war es absolutes Neuland. „Ich bin sehr neugierig, was uns heute erwartet und wie man Poesie in die ehrenamtliche Arbeit mit Senioren einbinden kann“, meinte Monika Nemetz. Neugierde, die den anderen Teilnehmern ebenso im Gesicht abzulesen war, wobei der Workshop dank der finanziellen Unterstützung durch den Anrather Verein „Gutes beginnt im Kleinen“ angeboten werden konnte.

Ruppel, der seit 15 Jahren der Poetry-Slam-Szene angehört, beschäftigt sich seit acht Jahren mit dem Projekt „Weckworte“, bei dem durch geeignete Darbietung klassischer Verse ein emotionaler Zugang zu Demenzkranken geschaffen werden kann. „Das Ende meiner Sprache ist das Ende meiner Welt“, sagte Ruppel. Eine Aussage, die er mit dem Beispiel eines Kleinkindes belegte, das Sprache lernt und damit seine Welt vergrößert. Wo Sprache fehlt, sind Grenzen gesetzt und diese Grenzen gilt es zu durchbrechen.

Der Bereich der Erinnerungen an Gedichte und Poesie ist bei Demenzkranken nicht angegriffen. Ruppel siedelte die Liebe für die Poesie im Herzen an, wo die Sprache nicht verschwindet. Das Wiederentdecken von Freude an der Sprache, das Experimentieren mit Sprache, ruhig mit Fehlern verbunden — Ruppel macht klar, das demenziell veränderte Menschen erreicht werden können.

„Das Ohr ist das erste ausgeprägte Sinnesorgan. Der Mensch ist empfindlich für Stimmen“, hob Ruppel hervor und brachte das Beispiel von Einschlafliedern, die entsprechend vorgetragen ihre Wirkung entfalten. Menschen einladen mitzusprechen, Berührungen in das Vortragen von Gedichten einzubringen, selbst die Möglichkeit der Kopplung von Massagen und Poesie — der Poetry-Slammer trug mit einer Begeisterung vor und demonstrierte anhand von Beispielen so lebhaft, wie Vortragen aussehen kann, dass die Zuhörer mitgerissen wurden. Ob Gedichte von Goethe, Ringelnatz, Hüsch oder Eichendorff, die Werke erhielten dank Ruppel eine neue Dimension.

Dass es eine Vortragsweise ist, die Senioren begeistert, erlebten die Teilnehmer beim Besuch der Tagespflege, der sich dem Workshop anschloss. Senioren mit strahlenden Augen und erste Gespräche, die aufgrund der gerade gehörten Wörter entstanden, ohne dass die demenzielle Erkrankung im Vordergrund stand. „Ein jeder konnte heute eine Menge für sich mitnehmen. Wir haben eine Lebendigkeit in der Vortragstechnik erfahren, mit der wir nie gerechnet hätten. Der Workshop hat uns schöne neue Möglichkeiten gerade mit Demenzkranken, gezeigt“, lobte Ursula Frese von So-Net.

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