„Können keine Ferien von Gott machen“

Ferien — für die Schwestern der Abtei Mariendonk bedeutet dies mehr Zeit für sich. Doch die Gemeinschaft und Regeln gelten auch für diese Zeit.

„Können keine Ferien von Gott machen“
Foto: Abtei Mariendonk

Mülhausen. Der Tagesablauf in einem Konvent ist genau getaktet. In der Woche beginnt der Tag um 5.15 Uhr. Messe am Morgen, Mittagsgebet, Vesper und Komplet (Nachtgebet) strukturieren neben den Mahlzeiten und den Arbeitsstunden den Tag bis zur Nachtruhe um 22 Uhr. Sonn- und Feiertage beginnen in der Abtei Mariendonk um 6 Uhr, die Nachtruhe darf um 20.20 Uhr begonnen werden. An wenigen Wochen im Jahr sieht das anders aus. In den Sommerferien schließt die Abtei Mariendonk ihre Betriebe, wie Stickerei, Weberei und Hostienbäckerei. Auch Gäste kommen in dieser Zeit nicht.

Aufgaben, die unbedingt erledigt werden müssen, werden aufgeteilt. „Wir schlafen dann eine halbe Stunde länger“, sagt Schwester Rebekka Henke und schmunzelt. Sie weiß, dass das für einen Außenstehenden nicht gerade nach ausgedehntem Faulenzen klingt. Aber auch diese 30 Minuten machen sich schon durchaus bemerkbar. Dazu steht die Zeit, die man sonst mit Arbeit verbringt, zur freien Verfügung.

Im Urlaub wegzufahren, ist für die Schwestern nicht üblich. Denn ein wichtiges Grundelement ihres Lebens ist die Beständigkeit, die „Stabilitas“. „Wir bleiben alle hier am Ort und machen gemeinsam Ferien in Mariendonk. Das ist unsere Zeit für Gemeinschaft, um einmal Zeit miteinander zu verbringen“, erklärt Schwester Rebekka Henke, die im Kloster unter anderem für die Gästebetreuung zuständig ist. Für die Schwestern ist dieser Verzicht auf Mobilität kein Zwang, sondern es ist eine bewusste Entscheidung, zugunsten eines gewählten Zieles auf etwas Schönes und Wertvolles zu verzichten.

Das Geld, das sie für die Abtei erwirtschaften, verdienen die Schwestern vor Ort. In den Ferien ist Zeit, um wieder einmal persönlichen Interessen nachzugehen. Es ist Zeit, um Ausflüge zu machen, zu wandern oder Fahrradtouren zu unternehmen. Eine Radtour nach Kevelaer und ein Ausflug zur Besichtigung romanischer Kirchen in Köln standen in diesem Jahr auf dem Programm. Jede Schwester kann Vorschläge dazu machen. Bei ihren Ausflügen sind sie bewusst in ihrem Ordensgewand unterwegs. Das sorgt natürlich hin und wieder für Aufmerksamkeit. Das Interesse ist oft da, Passanten stellen auch schon mal Fragen. Wo kommen Sie her? Zu welchem Orden gehören Sie? Schwester Rebekka stört dies aber nicht. Die meisten Begegnungen seien sehr positiv.

In den Ferien können die Ordensfrauen auch gemeinsam Filme schauen oder miteinander Spiele spielen und ins Gespräch kommen.

Normalerweise nehmen die Schwestern ihre Mahlzeiten schweigend ein. In den Ferien ist das ein wenig lockerer. Es wird beim Abendessen geredet und sich ausgetauscht. Das Miteinander zu pflegen ist wichtig — auch im Orden. Das Leben im Kloster bringt schon mal Herausforderungen mit sich. Natürlich gebe es auch mal Reibungspunkte. Da sei die Benediktsregel wichtig, dass man bis zum Abend wieder Frieden schießen solle.

Doch alle Aktivitäten müssen sich in einem bestimmten Rahmen bewegen. Denn Armut ist ein ebenfalls wichtiger Bestandteil des Klosterlebens der Benediktinerinnen. Klösterliche Armut ist in erster Linie Dankbarkeit für den Reichtum, den Gott uns schenkt. Um sich dies immer wieder vor Augen zu führen, haben die Schwestern kein eigenes Geld. Dinge für den persönlichen Bedarf werden nicht selbst eingekauft, sondern erbeten. Das Loslassen von Besitz und Haben-Wollen mache Dankbarkeit und Freude an den kleinen Dingen noch besser erlebbar.

Das gilt auch in den Ferien. Luxus gibt es nicht. Für Schwester Rebekka Henke sind Naturbeobachtungen in den Ferien eine großes Freude. Sich Zeit nehmen und wieder wahrzunehmen, was blüht und welche Tiere es in der Umgebung so gibt. Eines ist für die Ordensschwestern klar: „Wir können keine Ferien von Gott oder vom Gebet machen.“ Das wollen sie auch gar nicht. Schließlich haben sie sich für ein Leben mit Gott entschieden. Daher gehören Gebet und Gottesdienst auch auf Reisen immer dazu. Im besten Fall ermöglicht auch die freie Zeit eine bessere Hinwendung zu Gott. Auch wenn die Vorfreude auf die freie Zeit und Puffer für eigene Hobbys und Gedanken bei den Schwestern durchaus da ist, so ist es doch die feste Struktur, für die sie sich entschieden haben. Nichts soll dem Gottesdienst und der Gottessuche vorgezogen werden.

Schwester Rebekka Henke ist seit dem Jahr 2004 in der Abtei Mariendonk. Viele Einflüsse, die es draußen gibt, halten die Schwestern bewusst draußen. Doch über Gespräche mit Freunden, Familie und den Gästen und aus Zeitungen hat sie schon einen Eindruck davon, wie die Welt außerhalb der Klostermauern so tickt. „Wir merken schon, dass es eine Fülle von Reizen gibt.“ Auch in Mariendonk war sie zu Gast. Dann stellte sie sich die Frage: „Was willst Du wirklich im Leben?“ Sie lebte eine zeitlang im Kloster mit, probierte es aus und entschied sich bewusst für diese Form.

Es gibt auch andere Möglichkeiten, benediktinisch zu leben. So gibt es Oblatinnen, die außerhalb der Klostermauern im Geist der Benediktsregel leben und Berufen wie Lehrerin, Altenpflegerin oder Gemeindereferentin nachgehen. Sie besuchen das Kloster dann — für einen Tag im Monat oder auch schon mal länger. Aber die Schwestern in Mariendonk haben sich bewusst für einen anderen Weg entschieden. Neben den Ferien im Sommer gibt es für die Benediktinerinnen noch eine Woche Exerzitien im Jahr, in denen sie sich in Stille und Gebet noch einmal mehr Gott annähern wollen. Dazu erhalten sie dann auch Impulse von außen zu religiösen Themen. Auch an den Feiertagen der Benediktsorden ist mehr Zeit für Studium und Gebet.

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