Klinik muss Sicherheit im Blick haben

Nach dem Angriff auf eine Frau ist der Beschuldigte frei. Der Ärztliche Direktor der Süchtelner Landesklinik erklärt den Ablauf einer Untersuchung.

Kempen/ Süchteln. Etwas mehr als eine Woche ist es her, dass laut Polizei ein 51-jähriger Mann eine Frau auf offener Straße zusammengeschlagen hat (die WZ berichtete). Immer noch ist der Mann auf freiem Fuß, weil er nach einer Untersuchung in der Rheinischen Landesklinik in Süchteln für „nicht psychisch krank“ erklärt wurde.

Und immer noch fragen sich viele Menschen, warum das so ist. Die WZ sprach über den Ablauf einer solchen Untersuchung mit dem Ärztlichen Direktor der Landesklinik, Ralph Marggraf.

Westdeutsche Zeitung: Herr Marggraf, ein Patient wird nach einer so genannten Psych-KG auf behördliche Anordnung ist eine Klinik eingewiesen wird. Was passiert dort als erstes mit ihm?

Ralph Marggraf: Bei so einer Einweisung wird der Patient zunächst in der geschlossenen Abteilung stationär aufgenommen. Weil davon auszugehen ist, dass ein Gefährdungspotenzial vorliegt. Bei der Gefährdung muss noch einmal unterschieden werden zwischen Fremd- und Selbstgefährdungspotenzial. Die Klinik muss den Sicherungsaspekt im Blick haben.

WZ: Und wann wird der Patient zum ersten Mal untersucht?

Marggraf: Die ärztliche Untersuchung des Patienten erfolgt unmittelbar nach der Aufnahme. Darüber hinaus erfolgt auch ein Aufnahmegespräch durch Mitarbeiter des Pflege- und Erziehungsdienstes. In der Untersuchung wird dann festgestellt, ob eine psychische Erkrankung vorliegt und ob eine Gefährdung für die Bevölkerung vom Patienten ausgehen könnte.

WZ: Wie soll das herausgefunden werden?

Marggraf: Das wird in einem Gespräch mit dem Patienten herausgearbeitet. Es werden insbesondere Fragen nach typischen Symptomen psychischer Erkrankungen gestellt, wie beispielsweise Wahngedanken, Halluzinationen oder Stimmungsschwankungen. Es wird gefragt, ob der Patient schon einmal in psychiatrischer Behandlung war. Aber auch zum konkreten Fall, wegen dem er eingewiesen worden ist. Dabei werden die Antworten psychologisch eingeordnet und das Verhalten im Gespräch beobachtet und bewertet. Ebenso wird nach Möglichkeit auch eine so genannte Fremd-Anamnese erhoben — also Angaben von Personen aus dem Umfeld des Patienten eingeholt.

WZ: Und dann wird entschieden, ob der Patient in der Klinik bleiben muss.

Marggraf: Richtig. Über die Aufnahme muss der verantwortliche Arzt in der Klinik entscheiden. Liegt keine Erkrankung oder keine Gefährdung vor, und lehnt der Patient den Verbleib in der Klinik ab, muss er entlassen werden — so ist die Rechtslage. Die Behörden, die die Einweisung angeordnet haben, werden darüber informiert.

WZ: Wie stellen Sie sicher, dass der Patient vor der Einweisung noch nicht in psychiatrischer Behandlung war?

Marggraf: Sollte er in unserem Hause schon einmal behandelt worden sein, wissen wir das. Dann haben wir bereits eine Akte des betreffenden Patienten. Wenn er aber in anderen Häusern oder von einem niedergelassenen Kollegen behandelt wurde, wissen wir das nicht. Dann können wir auch nicht irgendwo Unterlagen anfordern. Zum einen können wir nicht sämtliche Einrichtungen abtelefonieren. Zum anderen fallen solche Informationen unter die ärztliche Schweigepflicht. Diese fällt nur weg, wenn der Patient den Kollegen davon entbindet.

WZ: Wenn der Patient vorherige Behandlungen verschweigt, kann der Arzt also nicht viel tun?

Marggraf: Was der Patient nicht sagt, kann der behandelnde Arzt nicht wissen. Er muss sich dann auf seine Einschätzung in der Untersuchung verlassen und entscheiden, ob der Patient krank ist oder nicht.

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