Kempen und die Burg: Zuversicht und Zweifel

Die Bürger machen sich Gedanken um die Nutzung der Burg und darum, wer den Umbau bewerkstelligen soll. Standesamt und Gastronomie befürworten viele Befragte, Wohnen nicht.

Kempen und die Burg: Zuversicht und Zweifel
Foto: Kurt Lübke

Kempen. Marlies Roosen geborene Mathey, ist in Kempen geboren, hat ihre Kindheit in der Stadt verbracht. Die Burg ist ihr sehr vertraut — als Wahrzeichen der Stadt, als Arbeitsplatz ihres Vaters, der früher dort als Beamter sein Büro hatte. „Ich war gestern wieder einmal in Kempen, habe mir die Burg angesehen. Sie ist fantastisch. Sie muss uns erhalten bleiben.“ Ihr Vorschlag: „Die Stadt sollte alle ihre Ämter, die jetzt verstreut in der Stadt liegen, in der Burg unterbringen.“ Auf die Frage, wie das finanziert werden könne, stellt sie eine Gegenfrage: „Sind denn die anderen Bauvorhaben in der Stadt so wichtig?“ Die Burg, sagt sie, „soll Priorität haben“.

WZ vor Ort

Ganz anderer Ansicht ist Jörg Geulmann, Kämmererder Stadt Kempen. Er würde die Burg nicht übernehmen wollen. Aus mehreren Gründen: „Ich sehe die finanziellen Auswirkungen. Die sieben bis zehn Millionen, die zurzeit für Sanierung und Umbau genannt werden, halte ich für zu niedrig angesetzt.“ Er gehe von einem Investitionsvolumen von zehn bis 20 Millionen aus, wenn man eben auch Gastronomie unterbringen wolle. Insgesamt sieht Kämmerer Geulmann auf die Stadt Kempen durch notwendige Bauvorhaben in den nächsten Jahren Investitionen in Höhe von 50 bis 100 Millionen zukommen — „für Kitas, für Schulsanierungen. . .“ Außerdem fragt Geulmann sich, wie das Projekt Burg städtischerseits personell begleitet werden sollte. „Wer soll’s denn umsetzen?“ Er ist dafür, dass die Stadt die Pläne eines potenziellen Investors begleitet, der im Sinne der Stadt auch eine öffentliche Nutzung der Burg unterstützt, zum Beispiel als Standesamt, mit Gastronomie, für St. Martin etc. Geulmann: „Lasst einem Investor den Vorrang!“ Andernfalls trage die Stadt das komplette Risiko. Wenn es in eine falsche Richtung laufe, könne man immer noch reagieren.

„Seit Monaten ist unsere Burg als Thema in aller Munde. Ist schon mal darüber nachgedacht worden, wie viel zukünftiger Platzbedarf an Seniorenplätzen in unserer Stadt nötig und vorhanden ist? Es wäre doch sinnvoll, die Burg in öffentlicher Verwaltung zu belassen und eventuell ein Seniorenheim daraus zu machen“, schlägt Günter Schmitz vor.

Vielen Kempenern liegt die Burg am Herzen. Die Frage, was in Zukunft mit dem Denkmal passiert, bewegt sie, das ist in der Umfragestunde der WZ-Redaktion auf dem Buttermarkt immer wieder spürbar.

„Die Burg gehört zu Kempen“, sagt Eva Reiners, die die Stadt in der Verantwortung sieht. Das Standesamt und ein nettes Lokal dazu - das würde gut passen, findet die Kempenerin. Auch Karola Beckers findet, die Stadt müsse in die Burg investieren, damit dort Angebote wie eine Jugendherberge, ein Museum oder ähnliches entstehen könnten. „Das ist unser Wahrzeichen — unser Mittelpunkt“, sagt Karola Beckers. Viele wären sicher auch bereit, eigenes Geld einzubringen. Eine Art „Crowd-Funding-Aktion“? „Genau, so etwas bräuchten wir.“ Sie ist skeptisch, ob die Entscheidung über die Burg beim Landrat Andreas Coenen gut aufgehoben ist.

Diese Zweifel hat auch Dr. Rolf Kamp. „Herr Coenen denkt doch nichts anderes als: Weg mit der Burg“, so Kamp. Beim Kauf durch einen Investor sorgt er sich darum, was die nächste Generation dann mit dem Denkmal machen würde. Die Stadt sei für die Burg verantwortlich. Kamp sieht aber keinen Grund zur Eile. Stattdessen solle man die Chance nutzen, die Burg kaufen und dann in Ruhe und mit Kreativität und Geschäftsinn überlegen, was dort passieren könnte. Vielleicht, so schlägt Kamp vor, könnte man unten Trauungen und Gastronomie möglich machen, im ersten Obergeschoss Büros vermieten. Eines ist Kamp aber auf jeden Fall wichtig: „Bitte nicht noch ein Gutachten.“

Wolfgang Becker findet dagegen nicht, dass die Stadt investieren sollte. Mit Blick auf ausufernde Kosten bei Bauprojekten in großen Städten muss er feststellen, dass Städte so etwas einfach nicht können. Die Verantwortung der Stadt sieht er im Bereich der Denkmalpflege. „Mit der Denkmalpflege muss man eine große Bindung schaffen“, so Becker. „So eine Treppe wird ja zum Beispiel keiner rausreißen dürfen.“

Werner Beckers würde ein Rathaus in der Burg sinnvoll finden, bei dem mit dem Bürgerservice auch Publikumsverkehrs in dem alten Denkmal entsteht. Auch wenn nicht die ganze Verwaltung hineinpasst. „Dann könnte man das Rathaus hier am Buttermarkt renovieren und beides nutzen“, so Beckers.

„Grundsätzlich wäre es gut, wenn der Burg Leben eingehaucht würde“, sagt Doris Winkelmann. „Aber ich wäre total dagegen, wenn was angebaut werden müsste, was nicht dazu passt.“ Dabei hat sie den Glasanbau an der Festhalle Viersen für die Kreismusikschule im Blick. Die Idee einer „Hochzeitsburg“ mit Standesamt und Feier-Gelegenheit fände sie für die Kempener Burg sehr gut.

„Die Stadt sollte es wagen, die Burg zu übernehmen“, sagt Wochenmarktbesucher Arno Kleinertz. Das Gebäude bedeutet ihm als Kempener sehr viel. Sicher, Geld müsse auch anderswo ausgegeben werden, „zum Beispiel dringend für die Toilettenanlagen in den Schulen“, aber die Burg sei kein Luxus. Die Neubauten am Bahnhof hingegen seien „Quatsch“. Die Stadtverwaltung solle Räume in der Burg nutzen, die sei auch näher am Rathaus.

Sehr viele Gedanken zur Burg und ihrer künftigen Nutzung hat sich Hans Ringelberg gemacht. Er wohnt seit mehr als 30 Jahren in Kempen. „Hat sich schon einmal jemand gefragt, was passiert, wenn die Burg privatisiert wird? Wenn aus ihr ein Hotel gemacht wird oder Eigentumswohnungen in dem Gebäude entstehen? Dann wird beispielsweise kein Feuerwerk an und von der Burg mehr zu St. Martin möglich sein.“ Denn seinen Informationen nach müssten alle Personen — bis auf die Feuerwerker und Feuerwehrleute — die Burg verlassen, wenn das Spektakel losgeht. „Die Burg muss also leer sein. Wie soll das aber gehen, wenn dort Menschen wohnen?“ Den Aufschrei in Kempen könne er sich vorstellen, wenn tatsächlich der Fall eintreten würde, dass die Stadt auf ihr Feuerwerk - „die Attraktion des Stadtzuges“ — verzichten müsste. Hans Ringelberg fragt sich außerdem, ob die Durchführung von Konzerten und Veranstaltungen auf dem Gelände rund um die Burg noch möglich wäre. „Denken wir nur an den Parkplatz, der bei Großveranstaltungen benötigt wird. Würden Hotelgäste oder Privatleute mehrere Tage lang auf ihre Plätze verzichten?“

Seiner Meinung nach scheide ein Hotel als Nutzungsmöglichkeit für die Burg aus. „Zu teuer!“ Und wie viele Eigentumswohnungen könnten dort überhaupt auf den drei nutzbaren Etagen entstehen? „Was würden sie kosten, wenn ein Privatinvestor zehn bis 15 Millionen Euro in die Hand nehmen muss und letztlich auch noch etwas verdienen will?“

Weiter fragt Ringelberg sich, ob der Landeskonservator zu einem Umbau der Burg als Hotel oder Wohngebäude sein Okay geben würde. Was wird mit den öffentlichen Parkplätzen, die es zurzeit um die Burg herum gibt? „Wird oder muss die Stadt bei Wegfall für Ersatz sorgen?“ Den Bau einer Tiefgarage hält Ringelberg für unmöglich, da es sich bei dem Gelände rund um die Burg um ein Bodendenkmal handele.

„Müsste bei einem Hotelbetrieb nicht auch eine Zufahrtsstraße vom Ring aus gebaut werden? Über die Brücke kann die Anlieferung jedenfalls nicht erfolgen.“ Den Grüngürtel möchte der Kempener nicht angetastet sehen.

Ringelberg ist dafür, dass die Stadt in der Burg Standesamt, Gastronomie, Volkshochschule und Bildungsrichtung unterbringt. Zehn Millionen Euro an Investitionen müsse Kempen ja nicht sofort zahlen. „Bis 2020 nutzt das Kreisarchiv noch die Burg.“ Er verweist auf Landesmittel. Seine Idee: „ Die Stadt sucht einen Privatinvestor, der die Burg umbaut und dann mietet die Stadt sie zurück.“

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