Kempen: 2000 Briefe aus dem Krieg

Das Ehepaar Hausen schrieb sich zwischen 1939 und 1944 fast täglich. In einer Kirche werden nun Teile davon vorgetragen.

Kempen. "Dicht vor unserem Haus auf der Bleiche und im Garten sind eine ganze Reihe Brandbomben eingeschlagen. Auf der Straße sofort vor dem Haus ist eine große Phosphorbombe geplatzt, überall ist der Himmel rot." Es ist der 14. Februar 1943, als Anna Hausen ihrem Mann Willi diese Zeilen aus Köln schreibt. "Alles ist so entsetzlich", fügt sie hinzu. Willi Hausen ist damals als Soldat im polnischen Lodz stationiert. Der einzige Kontakt des Paars besteht aus Briefen.

Rund 2000 Mal schrieben sich die Eheleute zwischen 1939 und 1944. Ihre in Kempen lebende Tochter Adelheid Hausen hat die Schriftstücke nach dem Tod ihrer Mutter 1987 nach und nach abgetippt. Eine schwierige Arbeit, wie sich herausstellte, denn das Papier war zum Teil spröde und mit Bleistift beschrieben.

Anschließend fasste sie einige Schreiben zu einer szenischen Lesung mit dem Titel "Wenn Briefe bleiben" zusammen. Am Donnerstag, 18.November, werden Karin Titz und Markus Eckstein diese um 19Uhr in der Propsteikirche vortragen. Organisiert wird der kostenlose Abend von der Senioren-Initiative Kempen, dem Kempener Geschichts- und Museumsverein sowie evangelischer und katholischer Kirchengemeinde. "Wir betrachten es als unsere Aufgabe, die Erinnerung an diese Zeit wachzuhalten", betont Gerd Mueser von der Senioren-Initiative.

Hausen und ihre Schwester kannten die Briefe des Vaters bereits seit ihrer Kindheit. "Meine Mutter hatte uns zu Weihnachten Auszüge daraus als Buch binden lassen", erinnert sich die 65-Jährige. Doch der Inhalt sei ihnen damals zu abstrakt gewesen. Erst nachdem Anna Hausen verstorben war, wurde ihrer Tochter Adelheid die Bedeutung des Briefwechsels bewusst. Da ihr Vater im August 1944 - vier Monate vor ihrer Geburt - an der Front starb, lernte sie ihn nie kennen. Die Briefe waren für die ehemalige Lehrerin des Thomaeums daher ein wichtiger Zugang zu ihm.

"Man ist Teil einer intimen Situation, die Briefe waren schließlich nicht für die Öffentlichkeit gedacht", sagt Elisabeth Friese, stellvertretende Vorsitzende des Geschichts- und Museumsvereins. Die Eheleute tauschten sich liebevoll und nachdenklich über ihre Situation aus und beschäftigten sich intensiv mit dem Krieg. Auch religiöse Gespräche waren ihnen sehr wichtig.

Ihr Vater habe die Haltung vertreten, dass Gott alles lenken wird, erklärt Hausen. Ihre Mutter hingegen habe immer wieder Grundsätzliches infrage gestellt. So beschäftigt sie sich in einem Brief vom 6. November1943 damit, dass die Soldaten Grausames durchmachen müssen: "Können diese armen Menschen nach solchem Erleben denn überhaupt wieder einmal froh und glücklich werden?". Als sie mit Adelheid schwanger ist, schreibt sie Willi: "Nun ist Deine übergroße Liebe wieder Leben geworden." Nur zehn Tage danach wurde ihr Mann in Polen schwer verletzt und starb auf dem Weg ins Lazarett.

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