Im Kloster herrscht kein Absolutismus

In der heutigen Folge über Mariendonk erläutert die Äbtissin, was Gehorsam für die Benediktinerinnen bedeutet.

Im Kloster herrscht kein Absolutismus
Foto: Kurt Lübke

Mülhausen. Gehorsam klingt heutzutage nicht gerade modern. Selbstbestimmung und Individualität sind eher Ziele unserer Zeit. Im Leben der Schwestern in der Abtei Mariendonk ist dieser aber ein zentrales Element. Sie leben nach den Regeln des Heiligen Benedikt, die vor rund 1500 Jahren geschrieben wurden. Seine Intention: Im Wort Gehorsam steckt „Hören“. Und für Benedikt bedeutete dies Hören auf Gott. Stets auf die eigenen Launen, Ideen und Empfindungen zu hören, ist nicht immer das, was wirklich gut ist. Und auch gesellschaftliche Idealbilder sind vielleicht nicht immer das Wahre.

Im Kloster herrscht kein Absolutismus
Foto: Kurt Lübke

Der Gehorsam mache die Schwestern frei von Stimmen, die nicht so gut sind, sagt Äbtissin Christiana Reemts. Oft sei man getrieben von den falschen Vorstellungen. Der Umgang mit dem Gehorsam verändere sich im Laufe der Zeit. Er entlaste einen selbst — aber auch nicht völlig. „Jede hat die Verantwortung über Dinge nachzudenken und ihre Meinung zu sagen.“

Schwester Christiana kam mit 23 Jahren in die Abtei Mariendonk. Sie hatte Agrarwissenschaften studiert und die Abtei im Rahmen eines Praktikums kennengelernt. Sie kam aus einem 68er-Milieu, in dem Gehorsam nun nicht an der Tagesordnung war. Am Leben im Kloster faszinierte sie das Ganzheitliche und die Auseinandersetzung mit dem Glauben. Und ihr wurde klar, dass sie dies ausprobieren müsse. Das tat sie. Und sie blieb.

Zum Leben als Ordensschwester gehört, dass man über seine Zeit und seine Aufgaben nicht mehr selbst entscheidet. „Ich habe viele Dinge gemacht, die nicht meine Entscheidung waren“, sagt Schwester Christiana. Dazu gehörten zum Beispiel die Arbeit in der Klosterküche oder auch das Theologie-Studium. „Im Nachhinein muss ich aber sagen: Es war gut so.“ Seit gut zwölf Jahren ist sie Äbtissin. Nun muss sie immer wieder Entscheidungen treffen. Bevor sie das Amt angenommen hat, hat sie sich genau überlegt, ob sie dies für sich verantworten kann. Das konnte sie. Weil sie Vertrauen hat, dass jeder, der ein Amt innehat, dies als Stellvertreter von Jesus Christus ausübt und sich immer wieder auf das Evangelium bezieht. Man muss darauf vertrauen, dass jemand nicht nur seine eigenen Ideen durchsetzen möchte. Das wäre Machtmissbrauch. „Ich habe dies nie erlebt“, so Schwester Christiana.

Es mache ihr Freude, für die Schwestern da zu sein und zu überlegen, welches die richtige Ausbildung oder Arbeit für diese sein könnte. Dagegen sei es nicht immer einfach, wenn man zu Wünschen nein sagen müsse — auch das komme vor. Manchmal müsse eine Entscheidung einfach verschoben werden. Als man über eine Neuanordnung des Chorgestühls in der Klosterkirche beraten habe, habe sich zunächst keine einvernehmliche Lösung angeboten. „Die Zeit war noch nicht reif.“ Daher wurde die Entscheidung zunächst verschoben.

Die Äbtissin hat bei Entscheidungen das letzte Wort. Absolutistisch sind die Strukturen eines Klosters aber keineswegs. Die Äbtissin wird von den Schwestern auf unbegrenzte Zeit gewählt und benötigt für die Wahl eine Zweidrittel-Mehrheit. Im Alter von 70 Jahren sollte man von diesem Amt zurücktreten. Es gibt genaue Vorgaben für ein Beratungsgremium mit vier Mitgliedern — zwei Schwestern werden von der Äbtissin benannt, zwei werden gewählt. Gewisse Ordensregeln, die das alltägliche Leben betreffen, kommen immer wieder auf den Prüfstand. „Zum Beispiel überprüfen wir regelmäßig die Ordenskleidung, ob diese für die Arbeit vielleicht etwas kürzer sein kann oder ob zur Arbeit draußen auch Hosen getragen werden.“

Auch zur Einberufung einer Vollversammlung gibt es klare Regeln. Diese ist bei größeren Geldausgaben oder bei der Entscheidung über eine Profess, also das Ablegen der Ordensgelübde, notwendig. „Aber faktisch finden öfter Gespräche statt. Wir besprechen sehr viel mit allen zusammen“, sagt die Äbtissin. Sie könnte ihr Amt nicht ausüben, wenn sie nicht das Gefühl hat, das Vertrauen der Mitschwestern zu haben. Deren Einwände hören und auf das Evangelium zu hören sind für sie wichtige Grundlagen von Entscheidungen.

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