Flüchtlingsansturm: Hoffen auf Hilfe aus Berlin

In Kempen landen viele junge Flüchtlinge. Deshalb war Volker Rübo nun im Innenministerium.

Kempen/Berlin. Bürgermeister Volker Rübo und Dezernent Michael Klee waren am Donerstag in Berlin. Dort hatte ihnen der CDU-Bundestagsabgeordnete Uwe Schummer einen Termin bei Ole Schröder, Staatssekretär im Innenministerium, organisiert. Er soll den Kempenern bei einem Problem helfen: der Inobhutnahme und Betreuung von minderjährigen Flüchtlingen, die ohne Begleitung von der Bundespolizei aufgegriffen werden.

„Dabei handelt es sich um sogenannte ‚unbegleitete minderjährige Drittausländer‘, die bei der Einreise über die Autobahn 40 aufgegriffen werden. Bei diesen Jugendlichen handelt es sich meist um Flüchtlinge aus Nordafrika oder dem Nahen Osten, die mit Fernreisebussen von Frankreich nach Skandinavien unterwegs sind“, formuliert es Schummer in einer Pressemitteilung.

„Seitdem die Bundespolizei in Kempen stationiert ist, das war Anfang 2012, ist die Zahl stark angestiegen“, sagte gestern Bürgermeister Rübo auf WZ-Anfrage. Und zwar von 0 auf 150. Im November hatte Klee im Jugendhilfeausschuss berichtet, dass in diesem Jahr bereits 99 Jugendliche von der Bundespolizei aufgegriffen worden seien — aber nur zwei von ihnen auf Kempener Stadtgebiet. Und das ist das Problem: „Die Jugendlichen werden nach Kempen in die Polizei-Station an der Schorndorfer Straße gebracht, erkennungsdienstlich behandelt und unserem Jugendamt übergeben und nicht dem, in dessen Zuständigkeitsbereich sich die Aufgegriffenen befanden“, sagte Rübo im WZ-Gespräch. Durch diese Regelung könnten die Lasten auf viele Schultern verteilt werden. Das war auch der Vorschlag, den er und Klee am Donnerstag in Berlin gemacht haben.

Die derzeitige Regelung überfordere das Kempener Jugendamt. Sechs Mitarbeiter, so Rübo, beschäftigten sich mit den betroffenen Jugendlichen. Das sei eine „belastende Aufgabe“. So müssten unter anderem Heimplätze im gesamten NRW-Gebiet gesucht und besucht werden, Gespräche mit dem Landesjugendamt geführt und Vormundschaften geregelt werden. Rübo: „Das Landesjugendamt übernimmt zwar die Kosten für die Heimunterbringung, aber nicht für unser Personal, das wir aufstocken mussten.“

Über die Kosten wollte Rübo gestern nichts sagen. Das Jugendamt strecke das Geld für die Unterbringung in sogenannten „Clearingstellen“ vor, hatte Klee im Jugendausschuss gesagt. So ein Platz koste bis zu 7000 Euro pro Monat. Doch die Erstattung durch das Landesjugendamt ziehe sich hin — bis zu acht, neun Monate. „Wir rechnen daher mit Ausgaben zwischen 1,5 und zwei Millionen Euro für das nächste Jahr“, sagte damals Jugendamtsleiterin Heike Badberg.

Rein rechtlich ist die derzeitige Handhabung in Ordnung. „Wir handeln nach den Vorgaben des Sozialgesetzbuches“, sagte im November Uwe Eßelborn, Sprecher der Bundespolizei, auf Anfrage der WZ. „Von der Kommune, in der der Gewahrsam ausgesprochen wird, sind die Jugendlichen unterzubringen.“

Bereits im September gab es ein Treffen im NRW-Ministerium in Düsseldorf — ohne Ergebnis. Zwar gibt es vom Land einen Erlass, der die Richtung der Stadt einschlägt, aber die Bundespolizei fühlt sich in diesem Fall nicht an Landesregelungen gebunden. Deshalb wurde jetzt in Berlin das Thema erneut aufgegriffen. „Wir sind froh, das wir unser Anliegen vortragen konnten“, sagte Rübo. Der Staatssekretär und Schummer hätten zugesagt, bei der Suche nach einer pragmatischen Lösung zu helfen. „Ich hoffe, dass es im Januar weitergeht“, so Rübo. Der konnte am Rande des Treffens auch kurz mit Wolfgang Borsbach (CDU), dem Vorsitzenden des Innen-Auschusses, über die Kempener Problematik sprechen.

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