Antisemitismus „Du Jude“ ist als Schimpfwort in Mode

Antisemitische Sprüche gibt es auch in Kempen — Straftaten nicht.

 Symbolbild

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Foto: Arne Dedert

Kempen. Vor wachsender Judenfeindlichkeit in Deutschland wird immer häufiger gewarnt. Und das nicht erst seit dem Eklat um die Verleihung des Musikpreises Echo an die Rapper Kollegah und Farid Bang sowie dem Berliner Angriff auf einen Mann, der eine Kippa trug. Sind solche Tendenzen auch in Kempen spürbar?

Antisemitismus: „Du Jude“ ist als Schimpfwort in Mode
Foto: Lübke

„Judenfeindliche Sprüche sind bei Jugendlichen zu einer Art Mode geworden“, sagt Hans Kaiser. Der Historiker und ehemalige Geschichtslehrer an der Erich Kästner Realschule gehörte zu den Initiatoren der Stolperstein-Verlegung in Kempen. Vor Jahren, so sagt er, hätten sich streitende junge Leute auf der Straße mit „du Kanake“ beschimpft — heute sei daraus „du Drecksjude“ geworden. Ein 13-jähriger St. Töniser habe ihm gerade von einem solchen Vorfall berichtet.

Hans Kaiser hält solche Entgleisungen aber eher für unpolitisch. „Die Typen denken sich nicht viel dabei, die wollen in erster Linie provozieren.“ Besonders besorgt sei er nicht. Antisemitische Aktionen oder Übergriffe wie in Berlin sind ihm aus Kempen und Umgebung nicht bekannt.

Historiker Hans Kaiser hat sich intensiv mit der Geschichte Kempens befasst. (Foto:Lübke)

Das bestätigt auf Nachfrage der WZ der zuständige Staatsschutz bei der Kripo in Mönchengladbach. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle habe es eine allgemeine Zunahme von antisemitischen Schmierereien gegeben, doch das sei wieder rückläufig.

Hans Kaiser hält dies mit Blick auf Kempen auch für ein Resultat der „intensiven Erziehungsarbeit“ an Schulen. Dass Vorfälle wie der Kippa-Angriff in Berlin in den Medien breit diskutiert werden, kann er nachvollziehen. „In Deutschland sind wir besonders sensibel bei diesem Thema.“

„Die Hemmschwelle scheint niedriger geworden zu sein, etwas gegen Juden zu sagen. Die Schüler haben wohl weniger Angst, von Lehrpersonen zurecht gewiesen zu werden“, sagt Roland Kühne. Der evangelische Pfarrer unterrichtet am Berufskolleg Religion, engagiert sich mit Schülergruppen unter anderem für aus politischen Gründen Inhaftierte.

„Gerade nach der Echo-Verleihung haben wir das Thema Antisemitismus im Religionsunterricht thematisiert“, berichtet Kühne. Einige der Schüler seien der Meinung gewesen, die umstrittene Liedzeile der Rapper Kollegah und Farid Bang — „mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“ — sei doch nicht so schlimm. Dem habe ein Schüler vehement widersprochen. Dieser junge Mann habe mit seinen Eltern in den Osterferien ein Konzentrationslager besucht. Und unter diesem Eindruck gesagt: „Das geht gar nicht“.

„Das fand ich interessant und deshalb befürworte ich absolut, dass Schüler während ihrer Schulzeit ein Konzentrationslager besuchen sollten“, betont der Pfarrer. Er versucht, seinen Schülern die Geschehnisse des Dritten Reiches nahe zu bringen. „Diese tragen wir wie einen Rucksack mit uns herum. Wir sind als Nachkriegsgeneration nicht schuldig, müssen aber mit dem Gepäck umgehen.“

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