Diskussion Die Politiker und das Kempener Stadtarchiv: Empörung, Emotionen, Einigkeit

Der Wegzug des Kempener Stadtarchives nach Dülken ist endgültig beschlossen — zuvor gab es eine emotionale Debatte im Stadtrat.

Diskussion: Die Politiker und das Kempener Stadtarchiv: Empörung, Emotionen, Einigkeit
Foto: Lübke

Kempen. Jetzt ist es endgültig beschlossene Sache: Das Stadtarchiv wird Kempen verlassen und unter dem Dach des noch zu bauenden Kreisarchivs in Dülken untergebracht. Gegen die elf Stimmen der SPD gab der Stadtrat dafür grünes Licht. Vor der Entscheidung am Dienstagabend, die bereits im Kulturausschuss beraten worden war, drückten vor allem SPD-Vertreter ihre Enttäuschung über den Wegzug aus.

„Der Umgang mit dem Thema liegt mir sehr schwer im Magen“, sagte Fraktionschef Andreas Gareißen. „Die Art und Weise, wie diese Entscheidung getroffen worden ist, gefällt mir ganz und gar nicht.“ Der Verwaltung und den anderen Fraktionen warf er vor, das Kempener Bekenntnis zum Archiv, das es eingangs der Debatte im vergangenen Jahr gegeben hatte, nicht ernst gemeint zu haben: „Waren das alles nur Lippenbekenntnisse?“ Gareißens Ton wurde noch schärfer, indem er von einem „geschichtsvergessenden Verhalten“ sprach.

Sehr emotional äußerte sich Vize-Bürgermeisterin Irene Steeger. „Ich möchte an dieser Stelle noch einmal meine Ängste und meine Trauer zum Ausdruck bringen“, so Steeger, die seit mehr als 30 Jahren für die SPD im Rat sitzt. In Kempen habe es keine ausreichende Befassung mit dem Thema gegeben. „Andere Ideen wurden überhaupt nicht geprüft.“ Letztlich verlasse sich die Stadt Kempen auf eine finanzielle Rechnung des Landrates, der ohnehin kein Interesse daran habe, dass das Stadtarchiv in Kempen bleibt. Dem Wegzug „einfach so“ zuzustimmen, sei „blutleer und fahrlässig“.

Ebenfalls emotional, aber eher nach vorne gerichtet, äußerte sich Heinz Wiegers, Geschichts- und Denkmalexperte der SPD. „Mit dieser Entscheidung ist die Arbeit für uns nicht beendet. Sie fängt gerade erst an.“ Die Kempener Politik stehe nun vor der Aufgabe, dass das Stadtarchiv auch in der Stadt verankert bleibe. Für Schulen und Heimatforscher müsse ein reibungsloser Zugang zur Forschung in Dülken gewährleistet werden. Kempen müsse eine wichtige Rolle im Archiv-Gebilde des Kreises spielen. „Wir dürfen nicht das fünfte Rad am Wagen sein“, so Wiegers, der unter anderem vorschlug, einen Archiv-Verein zu gründen.

„Herr Wiegers, Ihre Vorschläge sind für uns selbstverständlich“, reagierte CDU-Fraktionschef Wilfried Bogedain. Die Christdemokraten wollen sich weiterhin intensiv mit dem Thema befassen, um die bestmögliche Lösung für Kempen zu finden. Die Kritik Gareißens ließ Bogedain nicht stehen: „Das waren keine Lippenbekenntnisse. Wir haben uns mit dem Archiv so intensiv beschäftigt wie mit fast keinem anderen Thema.“ Unterm Strich stehe nun aber die „sachliche Entscheidung“, dass ein eigenes Stadtarchiv in Kempen dem Steuerzahler nicht zuzumuten sei.

Ferner machte Bogedain deutlich, dass die Kempener CDU mit dem Vorgehen von Landrat Andreas Coenen (CDU) weiterhin nicht einverstanden ist. Die Art und Weise der Vorbereitung sei nicht in Ordnung gewesen. Die Verantwortlichen in Kempen hätten Coenens Entscheidung für den Standort Viersen aus der Zeitung erfahren.

Der Beschluss, den der Rat nun gefasst hat, besagt, dass die Stadt den Vertrag mit dem Kreis Viersen zur Kooperation von Stadt- und Kreisarchiv nicht kündigen wird. Mit dem Unterschied, dass die beiden Archive ab 2020 nicht mehr in der Kempener Burg, sondern in einem Neubau in Dülken sein werden. Daher will die Stadt Kempen auf eine weitere Digitalisierung des Archivs drängen, um die Unterlagen möglichst problemlos zugänglich zu machen. Ferner steht für die Verantwortlichen in Kempen fest, dass Kopien der „wichtigsten mittelalterlichen Urkunden der Stadtgeschichte“ im Rahmen einer Dauerausstellung im Kramer-Museum gezeigt werden. Dies wurde ebenfalls beschlossen.

Um die Arbeit des Archivs in Zukunft detailliert zu begleiten, schlug Bürgermeister Volker Rübo am Ende der Debatte vor, dass es auf Kreisebene einen Beirat geben soll — mit Vertretern der beteiligten Kommunen. „Diesen Vorschlag habe ich Landrat Coenen bereits mitgeteilt“, so der Bürgermeister.

Dieser Idee und auch den Aussagen von CDU-Fraktionschef Bogedain konnte letztlich auch Andreas Gareißen etwas Positives abgewinnen. Und so herrschte nach Empörung und Emotionen dann doch noch Einigkeit im Ratssaal.

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