,Burgherr’ gibt Rathausschlüssel ab

Raus mit Applaus: Bürgermeister Rübo hat für die Möhnen die Verwaltung räumen lassen. Es ging ins Zelt zum Feiern.

,Burgherr’ gibt Rathausschlüssel ab
Foto: Lübke

Kempen. „Um elf Uhr war Einlass, um halb Zwölf war das erste 50-Liter-Fass leer.“ Silke Schmitz steht gut gelaunt hinter Kempens längster Theke und schaut ins gut gefüllte Festzelt. Seit 40 Minuten ist angezapft. Das Bier in Plastikbechern geht bestens am Tresen.

,Burgherr’ gibt Rathausschlüssel ab
Foto: Lübke

Brings singen „Polka, Polka. Polka“. Vom Band. Egal! Die Stimmung im Zelt auf dem Buttermarkt ist schon so gut, wie man sie bei der Fernseh-Live-Übertragung aus Köln am Alter Markt besingt. Kempen hält locker mit.

,Burgherr’ gibt Rathausschlüssel ab
Foto: Lübke

Um 11.45 Uhr sind 600 Jecke im Zelt. Handgezählt am Eingang, wo nur Bändchenträgern Einlass gewährt wird. Andere müssen warten, bis sich jemand entschließt, das Zelt — ohne Chance auf direkte Wiederkehr — zu verlassen.

Darauf hoffen viele, die draußen kostümiert in der eisigen Kälte bibbern. Die Schlange der Wartenden ist bis zu 50 Meter lang. Sie reicht bis in die Judengasse hinein (siehe Kasten). Und die Verwaltung ist noch nicht einmal komplett ins Zelt eingezogen.

Teufel wippen mit bunt behüteten Nachbarn am Stehtisch. Rokoko-Herren schunkeln neben Rastalockenträgern.

Die Funkenartillerie des Löschzugs Kempen ist in 23-Mann-Stärke da — verteilt übers Zelt und zu erkennen an weißen Hemden, roten Hosenträgern und roten Fliegen. Warum keine Krawatte? Roland Pouwels lacht und macht in Brusthöhe mit zwei Fingern eine Schnippbewegung: „Die Möhnen. . .“

Kommandant Stefan Schmitz nutzt die Zufalls—Presse-Konferenz am Stehtisch zur spontanen Ordensverleihung und heftet der Stift- und Blockhalterin der WZ den aktuellen Stecker der Artillerie ans Revers. Sein Artillerie-Kollege Peter Stein bahnt sich von hinten den Weg, sieht nur den Block und bestellt „einmal Currywurst mit Pommes rot-weiß“.

Darum muss er sich allerdings selber kümmern, denn der Prinz kütt: Einmarsch zum Klatschmarsch für den KKV, die Garde, das Prinzenpaar, Bürgermeister Volker Rübo und die Möhnen.

Rot-Blau, Kempen Helau — die Federn von Rainer I. wippen durch die Menge. KKV-Präsident Heinz Börsch hat ihn schon angekündigt. Es ist ein Heimspiel. Die Möhnen haben den Weg frei gemacht. Volker Rübo hat den Rathausschlüssel längst übergeben. Das Rathaus ist seit 12 Uhr geschlossen und verwaist. Kempens Verwaltungsherz schlägt jetzt im Zelt. Und für die Burg. Die Möhnen wollen schließlich wissen, wann sie die Burgfräuleins geben sollen.

Volker Rübo, bis Aschermittwoch Bürgermeister „außer Dienst“, über neue Visionen als „Burgherr“

Rübo rief den Möhnen bei der Schlüsselübergabe zu: „Ihr werdet den Rathaus-Neubau gestalten. Ihr seid kräftig.“ Dann sagte er ins Mikro, er sei „am Morgen als künftiger Burgherr aufgewacht“. Sein Vorschlag: „Unsere Highlander und die Prinzengarde sollen die Burg zu einem schottischen Adelssitz machen. Zu einem Mekka der Highlander und Karnevalisten. Und dann feiern wir ein Fest nach dem anderen und rufen das Königreich Kempen aus.“

Prinz Rainer I. mischte eine Idee in sein Helau an die Narrenschaft vor der Bühne: „Lasst uns das Rathaus abreißen und hier ein doppelt so großes Zelt aufbauen, dann feiern wird durch.“

Zur Kempener Burg machte er eine Bemerkung, die sein Nachfolger — im übertragenen Sinne — mit Möhnen-Unterstützung am nächsten Altweiberdonnerstag ja in die Tat umsetzen könne: „Dann kann man die Verwaltungsspitze mit Konfetti-Kanonen von den Burgzinnen schießen.“

Millionenbeträge für Burg-Umbau und Rathaus-Neubau klangen zwar zwischen den Zeilen von der Bühne mahnend an, Sorgen verteilten sich aber in der Festzeltstimmung dieses Morgens wie Konfetti im Wind. Denn statt Finanzen standen Feiern, Singen und Tanzen für alle im Vordergrund.

Sogar für „Georg vom Finanzamt Kempen“, genannt „Giorgio Armani ohne Armani“: Er genoss gestern die Stimmung des Altweibertags sichtlich und meinte freudetrunken: „Ich feiere seit halb neun und tanze hier, bis die Party zu Ende ist.“

Wenn er das wahr gemacht hat, dann werden gestern auch die letzten Wartenden Georg im Zelt noch angetroffen haben. Kempen, Helau!

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