Kempen Bootsbauer Funger und die Leidenschaft von der Küste

Eine Bootswerft am Niederrhein? Ja, das klappt, beweist ein Besuch bei Sebastian Funger.

Kempen: Bootsbauer Funger und die Leidenschaft von der Küste
Foto: Kurt Lübke

Kempen. Wer die Augen schließt, könnte meinen, er befindet sich in einer Schreinerei. Der angenehme Holzgeruch steigt direkt in die Nase. Sebastian Funger hält sich die Schrauben im Mund bereit. Er schraubt, sägt und hämmert. Aber er baut kein Möbelstück zusammen, sondern restauriert eine gut 40 Jahre alte Kieljolle aus den Niederlanden.

Kempen: Bootsbauer Funger und die Leidenschaft von der Küste
Foto: Kurt Lübke

Gerade ist der Unterwasserbereich dran. Nach und nach biegt der Bootsbauer Leiste um Leiste ein. Das Boot soll bald wieder auf dem St. Huberter Königshütte-See aufs Wasser gehen können. Eine Bootswerft sei am Niederrhein natürlich eher ungewöhnlich. „An der Küste wirst du Bootsbauer wie hier Schreiner“, sagt der 48-Jährige. Von der Küste kommt die Begeisterung für das Meer und die Schiffe. In Husum habe den gebürtigen Hülser die Leidenschaft gepackt. „Da habe ich als Junge immer im Hafen gesessen und bei der Schiffswerft zugeschaut“, erzählt er heute.

Nachdem er diese Begeisterung mit dem Bau kleiner Boote und dem Segeln auslebte, habe nach der Schule überhaupt kein Zweifel bestanden, was der Niederrheiner beruflich machen möchte: Bootsbauer. „Ich wollte nichts anderes machen“, sagt Funger. Direkt nach der Schule hatte er Glück. „Bundesweit gibt es keine 300 Ausbildungsplätze. Damals konnte ich meine Ausbildung bei einer Werft in Gellep-Stratum machen.“ Die Werft am Rhein gebe es heute nicht mehr. Während seiner Gesellenzeit arbeitete er in Hannover, Köln oder der Eifel. „Es ist wichtig, durch die Gegend zu tingeln. Wenn du nach der Ausbildung andere Denkweisen kennenlernst, geht dir plötzlich ein Licht an“, sagt er .

Nach seiner Meisterprüfung macht Funger sich selbstständig, richtet sich seine eigene Werft in Kempen am Industriering Ost ein.

Ein mutiger, zu Beginn nicht ganz einfacher Schritt. „Der Steuerberater hat gesagt, dass das Geschäft nach fünf Jahren laufen muss, es waren dann eher zehn“, erzählt Funger. Heute kann er darüber schmunzeln. Kein Wunder, hat er sich in der recht kleinen Bootsbauer-Szene längst einen Namen gemacht. „Wir haben viel ausprobiert und viel riskiert“, sagt Funger. Herausgekommen ist eine eigene kleine Bootsserie. Funger lässt dabei „eine alte schwedische Konstruktion“ wiederaufleben. Die baut er nach 30 Jahre alten Plänen des Bootsbauers Carl Andersson. Mit dessen Tod 1979 sei auch der Erfolg seiner Werft zu Ende gegangen. Der Kiel der Segelyacht „Västbris“ sei eine Besonderheit. „Er läuft durch und spannt wie ein S.“ Das Deckdesign und die Innenraumgestaltung spreche Fungen bei jedem Auftrag neu mit dem jweiligen Kunden ab.

Die „retroklassische“ Bauweise, wie es der Internetseite der Werft heißt, habe ein sehr schönes Segelverhalten. „Bei Welle sind sie angenehm zu segeln“, sagt Funger. An der jüngsten Yacht habe er zusammen mit seiner Auszubildenden gut sieben Monate gearbeitet. Neben dem Umgang mit Holz, Kunststoffen, Metall und Aluminium müssen sich Bootsbauer beispielsweise auch mit Elektrik auskennen, erklärt Funger: „Das lernst du dir nebenbei an, in der Zeit nach der Arbeit.“ Bei der jüngsten Version seiner Yacht habe er auf Kundenwunsch beispielsweise einen speziellen Elektromotor verbaut, was noch eher unüblich sei. Auch eine spezielle Heizung, die doppelt so teuer wie die sonst übliche Camping-Heizung sei, war gewünscht.

Der Umgang mit neuer Technik, mache den Bootsbau so abwechslungsreich und spannend. „So ein Boot ist wie ein Häuschen — es hat eine Toilette und es kommt Wasser drauf.“ Bei kleineren Yachten gehe es im Innenraum je nach Kundenwunsch um jeden Meter. Große Schiffe seien dagegen eher langweilig. „Unter zehn Meter Länge muss man genau überlegen, was man wie unterbringt“, sagt Funger.

Wenn er den Auftrag bekommt, eine seiner Yachten zu bauen, beschäftige ihn monatelang fast nichts anderes mehr. Das Gros der Aufträge bestehe aber aus Reparaturarbeiten. „Wir restaurieren im Prinzip alles bis zu einer bestimmten Größe“, sagt der 48-Jährige. Das größte Schiff, dass in der Werft Platz gefunden hat, sei 13 Meter lang und sieben Tonnen schwer gewesen. Gerade steht ein größeres Motorboot in der Halle, dass so originalgetreu und so modern wie möglich restauriert werden soll. Neben den Reparaturarbeiten bleibt manchmal noch Zeit für kleinere persönliche Projekte. Dazu gehört beispielsweise ein 70 Jahre alter Holzrumpf, an dem er zusammen mit seiner Gesellin arbeitet, wenn die Zeit dazu bleibt.

Über die Jahre hat sich seine Leidenschaft trotz schwieriger Phasen nie gelegt. Und auch der Holzgeruch wird bleiben: „Ich bin Bootsbauer geworden um Holzboote zu bauen“, sagt Sebastian Funger, bevor er sich wieder den Leisten der Kieljolle aus den Niederlanden widmet.

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