Kempen/Kreis Viersen Bitte nicht den Tatort putzen!

Nach einem Einbruch räumen viele Geschädigte auf, bevor die Polizei da war. Die Behörde stellt eine Häufung der Fälle fest.

Kempen/Kreis Viersen: Bitte nicht den Tatort putzen!
Foto: dpa

Kreis Viersen. „Nichts anfassen! Der Satz gehört zu einem Krimi wie „Wo waren Sie gestern Abend zwischen 20 und 21 Uhr?“ Ob Soko Wismar, Polizeiruf oder Großstadtrevier — in jedem neuen Fall bekommt der Fernsehzuschauer mit, wie Männer und Frauen in weißen Ganzkörperanzügen akribisch Tatorte sichern, kennzeichnen und den Ermittlern wichtige Hinweise liefern. Trotzdem gibt’s jetzt Nachhilfe von der Kreispolizeibehörde Viersen. Denn die „Spusi“, also die Spurensicherung, hat’s im echten Leben nicht leicht. Ein Interview mit Antje Heymanns, Sprecherin der Polizei.

Frau Heymanns: Sie haben berichtet, dass es kürzlich — Zitat: „wie häufiger“ — einige Fälle gab, „bei denen unbeabsichtigt möglicherweise beweisrelevante Spuren vernichtet worden sind“. Ist Tatortputzen tatsächlich ein häufiges Phänomen?

Antje Heymanns: In der vergangenen Woche hat sich das tatsächlich so gehäuft, dass wir uns dazu entschieden haben, das Thema aufzugreifen. Da hatten wir in fünf Tagen drei dieser Fälle. Bei zwölf Einbrüchen ist das eine Hausnummer.

Sie haben besonders extreme Beispiele?

Heymanns: Ja, ein Fall liegt schon etwas zurück. Da hatte eine Frau aus Willich einen Einbruch deshalb nicht sofort gemeldet, weil die Willicher Wache nicht besetzt war. Sie hat sich erst drei Tage später bei der Polizei gemeldet. Ein Geschädigter eines anderen Einbruchs hatte das aufgebrochene Schloss durch ein neues ersetzt und das beschädigte Schloss entsorgt — bevor die Polizei am Tatort war.

Wie kann das passieren?

Heymanns: Es ist so, dass die Leute ihr Haus sichern wollen. In dem besagten Fall in Dülken waren die Einbrecher nicht hineingekommen, hatten aber das Schloss beschädigt. Der Geschädigte rief erst den Schlüsseldienst, ließ das Schloss der Wohnungstür austauschen, das alte mitnehmen und rief danach erst die Polizei an.

Gehen wir den richtigen Ablauf einmal genau durch. Ich komme nach Hause, muss feststellen, dass Einbrecher da waren und alles durchwühlt haben. Was tue ich zuerst?

Heymanns: Erst einmal raus aus dem Haus. Man weiß ja nicht, ob der oder die Täter noch in der Wohnung sind, sich eventuell noch in oberen Etagen befinden. Am besten sollte man sich etwas abseits aufhalten, die 110, den Notruf der Polizei, wählen, und weiter das Haus und die Straße beobachten. Flüchtet jemand zu Fuß, im Auto, in welche Richtung?

Was tun die Einsätzkräfte vor Ort?

Heymanns: Grundsätzlich wird jeder Tatort eines Wohnungseinbruchs zunächst von einer Streifenwagenbesatzung aufgesucht. Sie sammeln erste Informationen, um im Nahbereich nach den Einbrechern fahnden zu können. Dabei geht es um die fünf goldenen W-Fragen der Polizei: Wer, wo, wann, was und wie? Dann rückt die Streifenwagenbesatzung wieder ab und informiert die Kripo zur Spurensicherung. Die kommt raus. Das kann aber je nach Häufung der Fälle dauern.

Trotzdem warten?

Heymanns: Ja, auch wenn man geschockt ist und am liebsten gleich alles wieder aufräumen würde. Das ungesicherte Haus sollte man nicht verlassen. Aber auch auf keinen Fall durchs Haus gehen. Das kann Fußspuren, die Täter, wenn sie durch den Garten hineingekommen sind, hinterlassen haben, zerstören. Fußabdrücke sind wichtige Indizien mit möglicherweise individuellen Kennzeichen wie einseitig abgelaufenen Sohlen.

Was sollte man auch lassen?

Heymanns: Auch nicht selbst oder mit Nachbarn — wie zuletzt in Schwalmtal geschehen — durch den Garten gehen und ihn nach Hinweisen absuchen. Auch hilfreiche Nachbarn können bei der Absuche des möglichen Tatortwegs unbedacht die Fußspuren der Einbrecher überlagern und ein wertvolles Beweismittel ist vernichtet. Telefonieren kann man in der Zwischenzeit: eventuell mit einem Glaser, wenn eine Scheibe zu Bruch gegangen ist.

Sie gucken doch sicher auch Krimis. Welche Fehler macht die „Fernseh-Spusi“ häufig?

Heymanns: Nein, ich schaue keine Krimis. Ich habe beruflich genug damit zu tun. Und Krimis sind nicht das echte Polizeileben. Die Leute sind manchmal enttäuscht, wenn wir nicht so viele Spuren im Haus kennzeichnen wie im Film. Aber wenn wir draußen schon feststellen, dass der Einbrecher Handschuhe getragen hat, muss man nicht drinnen die ganze Scheibe schwärzen.

Dann frage ich jetzt auch nicht mehr nach der Serie „Tatortreiniger“, Frau Heymanns. Danke für das Gespräch.

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