Unwetter Löcher in Dächern, verwüstete Gärten - Aufräumen nach dem Tornado im Kreis Viersen

Die materiellen Schäden durch den Tornado am Niederrhein sieht man in Viersen-Boisheim auf dem ersten Blick. Spuren hinterlässt er auch bei den Menschen.

 Ein Tornado hat am Mittwochabend im Raum Viersen gewütet und mindestens zwei Menschen verletzt, einen davon schwer.

Ein Tornado hat am Mittwochabend im Raum Viersen gewütet und mindestens zwei Menschen verletzt, einen davon schwer.

Foto: Marius Becker

Viersen. Der Tornado hat Spuren hinterlassen. Auch bei den Menschen. Am frühen Donnerstagmorgen tritt eine Frau aus ihrem Haus in Viersen-Boisheim, geht auf die Siedlungsstraße und schaut unbewegt auf das Hausdach. Neben ihr ein Schuttberg aus zerbrochenen Ziegeln. Der Wirbelsturm hat große Löcher ins Dach gerissen. Wie aus Wunden quillt die gelbe Dämmung hervor. „Man sieht ja, was passiert ist“, beugt sie Fragen vor. Sie wirkt verstört. Ihr Blick ausdruckslos. „Das wird schon wieder“, sagt sie. Ohne Zuversicht. Und geht wieder rein.

Es ist der Morgen, nachdem der Tornado die Menschen in Boisheim mit seiner unglaublichen Kraft aus den Alltag gerissen hat. Nach Angaben der Stadt sind in dem Viersener Ortsteil bis zu 50 Häuser beschädigt - in vier oder fünf Straßen, wie sich am Morgen danach zeigt. Reihenweise sind Dächer aufgerissen, Klinker von der Wand geholt, Fenster eingedrückt und aus der Verankerung gerissen, alte Bäume umgelegt. Ein Wohnwagen hängt halb in einem Baum. Der Wirbelsturm hat auch die Menschen erschüttert.

Menschen wie Monika Bohnen. Sie ist am Vorabend gegen 18.00 Uhr, als das Unglück über Boisheim kommt, mit ihrem Mann unterwegs. Dann der Anruf des Sohnes: „Kommt schnell nach Hause, es ist etwas ganz Schlimmes passiert.“ Zuhause dann der Schock: Große Teile des Daches sind abgedeckt, der Garten ist verwüstet. „Mein Sohn hat den Tornado kommen sehen. Das ganze Haus hat gebebt. Er hat sich im Badezimmer verkrochen. Man ist doch so hilflos“. Die Frau hat kaum geschlafen. Das Schlimmste sei die Angst vor dem nächsten Unwetter, sagt sie. Der Wirbelsturm hat nicht nur Dinge kaputt gemacht.

Nach dem Tornado: Im Kreis Viersen wird aufgeräumt
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(Zwei Frauen betrachten ein Wohnmobil, das nach einem Wirbelsturm in einen Garten liegt. Foto: Federico Gambarini/dpa)

Der Wetterunternehmer Jörg Kachelmann spricht auf seiner Internetseite von einem sehr eindrucksvollen Tornado. Videos im Internet zeigen, wie sich ein gigantischer dunkler Rüssel durch die Landschaft schraubt. Ein Autofahrer filmt die unmittelbare Kraft.

Angst? Ein Mann in Boisheim, der früh morgens Dachziegel zusammenfegt, sagt knapp: „Da hatten wir keine Zeit zu. Das kam und war auch schon wieder weg. Ich habe noch versucht, die Rollos runterzulassen“, zeigt er zum Fenster im ersten Stock mit dem schief in der Führung hängenden Rollladen.

Auch Rudolf Amende hat es getroffen. Er erzählt von der Verwirrung des ersten Moments: „Wir wussten erst nicht, was passiert.“ Seine Frau Tilly wollte noch schnell ihr neues Auto in die Garage stellen. Aber da kam sie schon nicht mehr zur Haustür raus. „Vielleicht war es Glück“, sagt sie. Dachziegel fallen da schon reihenweise vom Dach, ein Fenster wird ins Haus gedrückt, Splitter einer Fensterscheibe landen im Bett. Die Vogelvoliere draußen im Garten - ein Trümmerhaufen, die Kanarienvögel weg. Das neue Auto, so gut wie hin. Aber die Amendes sind heil.

(Rudolf Amende fährt Dachziegel zum Müll, die ein Wirbelsturm von seinem Haus im Ortsteil Boisheim geholt hat. Foto: Marius Becker)

Anders als die beiden Männer in Nettetal, die am Mittwochabend verletzt werden: Ein Feuerwehrmann erleidet einen Stromschlag. Und ein Autofahrer wird beim Aussteigen von herunterfallenden Baumästen schwer verletzt.

Windhose zieht über Viersen
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Windhose zieht über Viersen

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(Oskar Jalda entsorgt kaputte Dachziegel und Schutt vor seinem Haus im Ortsteil Boisheim. Foto: Marius Becker)

In Boisheim trauert Oskar Jalda. Sein Hausdach hat viel abbekommen, auch der Wintergarten. Aber er trauert um seine prächtigen Obstbäume, die der Wirbelsturm umgelegt hat. Trotz der beeindruckend starken Wurzeln, die jetzt auf der Wiese liegen. Er wird keine neuen Bäume mehr setzen: „Bis die tragen, bin ich bei Petrus“, sagt der 88-Jährige und lächelt. dpa

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