Asylbewerber „Wir sind der Knotenpunkt“

In der Via Stenden bei St. Hubert leben 500 Flüchtlinge. Die WZ hat die Einrichtung besucht.

St. Hubert/Kerken. Zwei Busse stehen vor dem Glasbau, mehrere Menschen warten mit Rucksäcken oder Plastiktaschen vor der Tür. Mitten im Wald auf Kerkener Gebiet, aber nur etwa drei Kilometer von St. Hubert entfernt, leben zurzeit 500 Flüchtlinge. Sie kommen vor allem aus Syrien, dem Iran und dem Irak sowie Eritrea, aber auch aus den Balkanstaaten.

Asylbewerber: „Wir sind der Knotenpunkt“
Foto: Kurt Lübke

Täglich verlassen einige von ihnen die Via Stenden und täglich kommen wieder neue. Claudia Burghans vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) und Markus Jansen von der Bezirksregierung Arnsberg haben die Leitung der zentralen Unterbringungseinrichtung Kerken-Stenden, kurz ZUE genannt.

„Die Zulaufzahl ist exorbitant hoch und nicht kalkulierbar“, sagt Burghans. Das mache die tägliche Arbeit so schwer. Die Via Stenden ist in der Regel die zweite Station für die Flüchtlinge. Jansen: „Wir sind der Knotenpunkt innerhalb eines Systems.“ Nach dem Auffanglager kommen die Asylbewerber in eine ZUE, um von dort auf die Kommunen verteilt zu werden. „Die Menschen, die zu uns kommen, haben eine Odyssee hinter sich, sind traumatisiert, müde und wollen oft erstmal nur ein Bett.“

Doch bevor sie sich ausruhen können, müssen ihre Daten erfasst werden, gibt es eine kurze Einweisung in die Hausordnung und ein Starterpaket mit Bettwäsche, Handtuch und Hygieneartikeln. „Wir arbeiten natürlich mit Sprachmittlern. Wir haben 20 Mitarbeiter im Sozialdienst, einige sprechen arabisch, spanisch, französisch, englisch und Sprachen des Balkans“, sagt Claudia Burghans. Wie viel die Menschen jedoch verstehen und auch aufnehmen, das könne sie nicht sagen.

Vier bis sieben Tage bleiben die Flüchtlinge im Schnitt in Kerken. Das sei Fluch und Segen zugleich, sagt Burghans. Fluch, weil man die Menschen nicht besser kennenlernt und eine individuelle Betreuung nicht möglich ist. Segen, weil man sich nicht so schnell emotional an die Bewohner binden und daher besser Abstand wahren kann.

In den Tagen, die die Flüchtlinge in der Via Stenden verbringen, sind sie auch stark in die Abläufe eingebunden. So betreibt die Caritas eine Verfahrensberatungsstelle. Es stehen medizinische Untersuchungen an, wie Röntgen, um TBC auszuschließen. Impfungen erhalten diejenigen, die das auch wollen. Burghans: „Und das sind viele.“

Klare Regeln, beispielsweise Nachtruhe und Alkoholverbot auf dem Gelände, sollen den Menschen Struktur geben. Dazu besteht die Möglichkeit, mit anzupacken, beispielsweise beim Putzen oder dem Betten-Aufbau — sogenannte Ein-Euro-Jobs.

Natürlich gebe es auch Probleme, so Burghans und Jansen. Bestimmte ethnische Gruppen, vor allem alleinreisende Männer, passen nicht immer zusammen. Das muss bei der Belegung der Zimmer mit teilweise acht Betten bedacht werden. Zwei- bis dreimal am Tag komme die Polizei vorbei, so Jansen, um Kontrollen durchzuführen. Auch stehe man regelmäßig mit den Ordnungsämtern in Verbindung.

Es habe nur vereinzelt Anrufe oder Beschwerden von Bürgern gegeben. Bedenke man, dass bereits 16 000 Menschen die Via Stenden durchlaufen hätten, seien die Konflikte „Einzelfälle“.

„Wir müssen das Fremdeln abstellen“, sagt Burghans. Man müsse akzeptieren, dass Flüchtlinge mit anderem Aussehen und anderen Sitten unter uns leben. Burghans: „Und es werden immer mehr.“ Die Bevölkerung müsse sich neu orientieren.

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