Schiedsmänner: Von feindlichen Nachbarn

Im Rathaus läuft eine Ausstellung rund ums Schiedswesen: Es gibt kuriose Fälle mit störenden Sträuchern und Grillgeruch im Sommer.

Kempen. Dieter Reichel hat in seiner Zeit als Schiedsmann in St. Hubert schon mehr als einen kuriosen Streitfall erlebt. Er erzählt etwa von einem Landwirt, der wollte, dass Mieter aus seinem Haus ausziehen. „Da hat er denen einfach einen alten Anhänger vors Fenster gestellt“, sagt Reichel. „Aber ich konnte da nichts machen, es war ja sein Recht.“ Rücksichtslosigkeit ist kein Gesetzesverstoß. Jedoch häufig Anlass für Fehden, die keifend am Gartenzaun beginnen — und manchmal mit jahrzehntelangem eisigen Schweigen enden.

„Manchmal kann man sich da nur an den Kopf fassen“, sagt auch Johannes Fliegen. Sein Schiedsbezirk ist der Kempener Osten. Dort ist er dafür zuständig, Streitigkeiten zu schlichten. Krach am Gartenzaun ist für ihn und seine ehrenamtlichen Kollegen der Klassiker.

Seit Dienstag gibt es eine Ausstellung rund ums Thema Schiedsamt im Foyer des Rathauses. Bis zum 27. Januar gibt es lustige Anekdoten und alles zur Geschichte des Schiedswesens zu sehen.

1879 wurde die Schiedsmann-Ordnung am Niederrhein eingeführt. Immer dann, wenn sich zwei Parteien nicht einigen können, wird der zuständige Schiedsmann oder die Schiedsfrau hinzu gerufen, um außerhalb eines Gerichtssaales zu schlichten.

„Vor Gericht gibt es immer einen Gewinner und einen Verlierer“, sagt Heinz-Günther Roeder. „Bei uns gibt es beides nicht, wir schließen Vergleiche.“ Der Vorsitzende der Bezirksvereinigung Krefeld-Moers macht den Job seit 19 Jahren sehr gerne. „Das ist mitten im Leben und nicht so staubtrocken“, sagt er.

Was ein Schiedsmann vor allem brauche, sei Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Menschen. Und natürlich Neutralität. „Das ist die große Aufgabe“, sagt Roeder. Einfach sei das nicht immer. Nach fast 20 Jahren kennt sich der Krefelder aus. Mittlerweile kann er an der Jahreszeit ausmachen, welche Streitigkeiten in den nächsten Wochen auf ihn zukommen: „Im Frühjahr sind es störende Sträucher, im Sommer ist es der Grillgeruch, im Herbst das Laub und im Winter hat jemand den Fußweg nicht richtig gestreut“, fasst er lachend zusammen und zuckt mit den Schultern, um ein „Tja, so ist es nun einmal“ auszudrücken.

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