Kempen Kita-Urteil mit großen Folgen

Nach einer Entscheidung des Düsseldorfer Verwaltungsgerichtes ist die Vergabepraxis von Kita-Plätzen in Kempen nicht haltbar.

Kempen: Kita-Urteil mit großen Folgen
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Kempen. Die Stadt Kempen hat den Rechtsstreit um das Wunsch- und Wahlrecht von Eltern bei der Vergabe von Kita- und Tagespflegeplätzen endgültig verloren. Das Urteil des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf besagt, dass die Stadt dem Kempener Ehepaar Stengel gewähren muss, ihren Sohn von einer Tagesmutter in St. Tönis betreuen zu lassen — und das über einen Zeitraum von zwei Jahren. Das Gericht stützt damit Paragraf 5 des SGB (Sozialgesetzbuch): Sinngemäß heißt es dort, dass Eltern frei wählen dürfen, ob sie ihr Kind in einer Kita oder bei einer Tagesmutter betreuen lassen möchten. Dabei dürfe auch der Ort der Tagespflege keine Rolle spielen.

Analyse

Die Stadt Kempen hatte die Betreuung des Stengel-Nachwuchses in St. Tönis nur für ein Jahr anerkannt. Das Kind der Familie sollte ab dem zweiten Lebensjahr eine Kita in Kempen besuchen. Dagegen waren die Eltern vorgegangen. Mit Erfolg. Und dieser ist ihnen jetzt nicht mehr zu nehmen. Die Stadt hat auf eine Berufung verzichtet.

Was zunächst nach einem Urteil im Rechtsstreit zwischen einem Elternpaar und einer Kommune aussieht, kann aber gerade in Kempen weitreichende Folgen haben. Vor allem mit Blick auf die Vergabepraxis bei den Plätzen in Kindertagesstätten und in der Tagespflege.

Offiziell würde es im Jugendamt zwar niemand sagen, es gilt aber in Kempen die gelebte Praxis, dass Eltern ihr Kind nur ein Jahr zu einer Tagesmutter schicken können. Ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes teilt die Stadt den Eltern mit, dass nun ein Kindergartenplatz (U 3) in Anspruch zu nehmen sei.

Dieses Verfahren führt die Stadt Kempen seit einigen Jahren durch, weil es zu wenige Tagesmütter- oder väter gibt. Aber auch deshalb, weil die Stadt über ausreichend Plätze im U 3-Bereich verfügt. Dieser Bereich wurde nach den Vorgaben der Landesregierung für viel Geld ausgebaut — und daher sollen diese teuren Plätze auch genutzt werden.

Bis auf das Ehepaar Stengel und eine weitere Familie aus Kempen hatten bislang keine Eltern an dieser Vergabepraxis etwas auszusetzen. Unter anderem mit Blick darauf, dass ihnen mit dem frühzeitigen Kita-Besuch (unter 3) des Kindes der Platz für die weiteren Jahre (über 3) sicher ist.

Durch das Urteil aus Düsseldorf dürften aber sicher einige Eltern daran interessiert sein, ihr Kind zwei Jahre bei der Tagesmutter betreuen zu lassen. Und die Stadt Kempen steht vermutlich vor der Herausforderung, dieses stemmen zu müssen.

Die zweite Folge des Urteils ist die Wahlfreiheit was den Ort der Tagespflege angeht. Im Präzedenzfall ging es um die Frage der beiden Nachbarkommunen Kempen und Tönisvorst. Die Stadtverwaltung spricht aber von bundesweiten Folgen. So könnte eine Kempener Mutter ihr Kind künftig in der Nähe ihrer Düsseldorfer Arbeitsstelle betreuen lassen, weil die Tagesmutter möglicherweise auf dem Weg zur Arbeit gut gelegen sei.

Stadtsprecher Christoph Dellmans hatte dieses Szenario bereits im Juli überspitzt beschrieben: „Wenn eine Mutter im Allgäu arbeitet und morgens ihr Kind dorthin zu einer Tagesmutter mitnimmt, dann muss die Stadt Kempen für das Kind zahlen.“

Nach der gerichtlichen Niederlage der Stadt Kempen mit Blick auf die sogenannte Befreiung von Geschwisterkindern (die WZ berichtete) ist nun also erneut ein Kita-Rechtsstreit verloren gegangen. Im jüngsten Fall muss die Stadt Kempen zwar nicht an ihre Beitragssatzung herangehen. Die Herausforderungen durch das neuerlicher Urteil dürften aber deutlich größer sein.

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