Niederrhein „Kirchturmdenken“ soll beendet werden

Ein Jahr nach seinem Amtsantritt hat IHK-Chef Jürgen Steinmetz die WZ besucht. Den Kreis Viersen hat er stärker im Blick.

Niederrhein: „Kirchturmdenken“ soll beendet werden
Foto: Kurt Lübke

Niederrhein. Seit einem Jahr ist Jürgen Steinmetz Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein. „Alles richtig gemacht“, kommentiert er beim Besuch in der Kempener WZ-Redaktion seinen Wechsel aus der Verwaltung des Rhein-Kreises Neuss in die IHK-Geschäftsstelle in Krefeld.

„Eine spannende Aufgabe in einer boomenden Region“ — so umreißt der 48-Jährige seine Arbeit für die IHK. Besagte Region biete noch viel Potenzial, habe auch Risiken und Schwächen. Denen die IHK aber nachgehen will — zum Beispiel, indem sie den Kreis Viersen verstärkt in den Blick genommen habe. So hat es Standortuntersuchungen für Kempen und Brüggen (dort liegen die Ergebnisse noch nicht vor) gegeben. „Im nächsten Jahr haben wir dann Tönisvorst auf dem Schirm“, kündigte Jürgen Steinmetz an.

Infrastruktur, Gewerbeflächen, Verkehr — das waren die bestimmenden Faktoren der Arbeit des IHK-Chefs in den vergangenen zwölf Monaten. Die „Politik-Beratung“ — auch Lobby-Arbeit genannt — sieht er als vorrangige Aufgabe der IHK an. „Und da sind wir auch ein Stück weit vorangekommen“, zeigte er sich überzeugt.

Bereits kurz nach seinem Amtsantritt hatte er einen Brandbrief an NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) geschrieben. Thema war der Dauer-Stau im Berufsverkehr an der Autobahn-Zufahrt in Münchheide, den es zu beseitigen gelte. Im April konnte der IHK-Chef dann Fortschritte verkünden: Noch in diesem Jahr soll das Planfeststellungsverfahren zum Ausbau der Zu- und Abfahrt auf die Autobahn eingeleitet werden. 2018 wäre dann Baubeginn. An dieser Zeitplanung, so Steinmetz, habe sich seiner Erkenntnis nach nichts geändert.

Doch nicht alle Vorhaben gelingen. So bedauerte es Steinmetz, dass im Entwurf des neuen Bundesverkehrswegeplans 2030 der sechsspurige Ausbau der Autobahnen 61 und 44 nicht unter „vordringlicher Bedarf“ zu finden ist. „Das hätten wir gerne gesehen“, so der IHK-Chef. Vor allem das enorme Wachstum der sogenannten Zara-Häfen Zeebrügge (Belgien), Amsterdam, Rotterdam (beide Niederlande) und Antwerpen (Belgien) mache einen weiteren Ausbau der Straßen und Schienen am Niederrhein notwendig.

„Ein dickes Brett“ ist laut Steinmetz die Förderung des Tourismus. Diese hat er sich besonders auf die Fahnen geschrieben — aber schon festgestellt, dass dieses Thema auf der To-do-Liste von Politik und Verwaltungen nicht sehr weit oben steht. „Aus der Region machen wir zu wenig“, sagt er und fordert, dass „Kirchturmdenken“ zu beseitigen. Hintergrund: Bei der Tourismus-Förderung ziehen Krefeld, Mönchengladbach und der Kreis Viersen bislang nicht an einem Strang.

Besagtes „Kirchturmdenken“ gibt es auch in anderen Bereichen, wie Kempen und Tönisvorst gerade bewiesen haben: Zeitgleich haben die dortigen Werberinge eine Kampagne gestartet, die in beiden Fällen das Motto „Königlich shoppen“ trägt. Miteinander geredet hatte man vorher nicht. Steinmetz zeigt auf, wie regionales Denken besser funktionieren kann: Das von der IHK Mittlerer Niederrhein erfundene „Heimat shoppen“ schwappe in diesem Jahr auf zwei weitere Bundesländer über. Rund 20 IHK-Bezirke machen bei den Aktionstagen im September diesmal mit.

Eine Zusammenarbeit in der Metropolregion Rheinland sieht Steinmetz als Bekenntnis der Städte und Kreise zum Niederrhein. Diese soll im Herbst gegründet werden. Steinmetz wünscht und erwartet eine Beteiligung des Kreises Viersen.

Ein wichtiger Arbeitsbereich in den vergangenen zwölf Monaten war auch für die IHK die Integration von Flüchtlingen. Diese findet nach Überzeugung von Steinmetz vor allem über den Arbeitsmarkt statt. Mit der Einstellung von zwei „Willkommenslotsen“ als Vermittler und Integrationsberater habe man auf diese Herausforderung reagiert. Die Vorteile der dualen Ausbildung statt eines Studiums müsse den Flüchtlingen vor Augen geführt werden, betont der IHK-Chef. So könne die Integration gelingen. Allerdings nicht über Nacht: „Das braucht fünf bis zehn Jahre.“

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