Kirche: Zurück in die Vergangenheit?

Messen in Latein, Priester mit dem Rücken zur Gemeinde – Papst Benedikt hat den alten Ritus wieder erlaubt. Aber wird er in der Region auch angewandt?

<strong>Kempen/Grefrath/Nettetal. Latein lernen müssten seine Gottesdienst-Besucher nicht, sagt der Kempener Dompropst Dr. Thomas Eicker. Und auch umdrehen werde er sich am Altar nicht. Eicker hält den Erlass des Papstes zum tridentinischen Ritus schlichtweg für überflüssig. "Wenn der Heilige Vater meint, er müsse so manchen Randgruppen entgegen kommen, soll er das tun. Doch es gibt sicher dringlichere Probleme: Das größte ist, dass wir offenbar - im übertragenen Sinne - in weiten Teilen nicht mehr die Sprache der Menschen sprechen." Auch Eicker räumt ein, dass ein lateinischer Gottesdienst stets feierlich sei, aber eben nur an Festtagen. Oder im internationalen Austausch: "Es war schon beeindruckend, als beim Weltjugendtag in Köln alle mitein-ander in einer Sprache das Vater unser gebetet haben." Übertragbar auf den Alltag sei das jedoch nicht. Und er betont: "Der Papst hat den alten Ritus wieder erlaubt. Die normale liturgische Form bleibt aber die jetzige."

Sprache als ein Stück kultureller Globalisierung

Josef Frohn, Pfarrer an St. Heinrich Mülhausen, hat als junger Mann die Abschaffung des tridentinischen Ritus’ während des Vatikanischen Konzils Anfang der 60er Jahre noch gut in Erinnerung. "Das war ein großer Bruch damals", sagt er. "Von einem Sonntag auf den anderen wurde plötzlich nicht mehr Latein gesprochen in der Heiligen Messe." Der alte Ritus sei ein Kunstwerk, der eine über Jahrhunderte währende kulturelle Bewährung hinter sich habe. Die gemeinsame Sprache der Kirche ist für ihn ein Stück kultureller Globalisierung.

Umstellen will sich der 71-Jährige jedoch nicht. "Den Gottesdienst-Besuchern ist ein gewisses Maß an Sensibilität verloren gegangen", findet er. Er weiß aus Erfahrung: "So etwas sollte man nicht von heute auf morgen umstellen." Und was die Abwendung des Priesters von der Gemeinde angeht, hat Frohn eine ganz andere Ansicht: "Das kann man auch so interpretieren, dass sich der Priester gemeinsam mit den Gläubigen auf den Weg zu Christus macht."

Entstehung Der Ritus, der in der katholischen Kirche gut 400 Jahre Bestand hatte, ging aus dem Konzil von Trient (daher der Name) hervor. Dieses wurde zwischen 1545 und 1563 abgehalten. Den Gläubigen bleibt in dieser Liturgie-Form eine eher passive Rolle vorbehalten. Zahlreiche Gebete des Priesters werden sehr leise und kaum hörbar gesprochen, überdies in lateinischer Sprache und mit dem Rücken zur Gemeinde.

Entwicklung Das II. Vatikanische Konzil (1962-1965) legte die aktuelle dialogische Form der Gottesdienstfeier fest. 1970 trat sie in Kraft.

Anwendung Papst Benedikt XVI. hat in seinem Erlass "Motu Proprio" den alten Ritus aufgewertet. Er erlaubt die tridentinische Messfeier als Liturgieform für außerordentliche Ereignisse (Sonn- und Feiertage). Zuvor brauchte man eine Genehmigung. Jetzt sollen Geistliche den etwaigen Wünschen von Gemeinde-Mitgliedern positiv begegnen (in Kempen, Grefath und Nettetal gab es noch keine Anfragen). "Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß. Es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein", erklärte der Papst.

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