Kempen/Grefrath/Nettetal: Kapriolen im Superwahljahr

Statt am 7. Juni stimmen die Bürger jetzt am 30.August über ihre neuen Parlamente ab.

Kempen/Grefrath/Nettetal. Das Landesverfassungsgericht hat am Mittwoch den 7.Juni für die Kommunalwahl in NRW gestrichen. Dieser von der CDU/FDP-Landesregierung auserkorene Termin sei "mit demokratischen Grundsätzen unvereinbar", urteilten die Richter.

Innenminister Ingo Wolf (FDP) hat daraufhin aus den Alternativen 27.September (zusammen mit der Bundestagswahl) und 30.August den letzteren Termin festgelegt, "damit die Kommunalwahl nicht unter die Räder der Bundestagswahl gerät".

"Das ist genau meine Meinung, das erfordert unser kommunales Selbstbewusstsein", reagierte Kempens Bürgermeister Karl Hensel (CDU). Er selbst habe als Präsidiumsmitglied im Städtebund NRW-Minister Wolf noch ins Gewissen geredet, die beiden Wahlen nicht auf einen Tag zu legen.

"Die Wahl muss ein bewusster Akt sein, ohne dass wir mit den Merkels und Steinmeiers in einen Topf geworfen werden", sagt Hensel. Geärgert habe ihn, dass die Kommunalwahl ins Kalkül der Parteien geraten sei, was letztlich diesen Termin-Hickhack ausgelöst habe.

Der Kempener SPD-Bürgermeiser-Kandidat Andreas Gareißen hätte lieber am 27.September gewählt- mit Blick auf 42Millionen Euro Mehrkosten in NRW, die der Termin 30.August mit sich bringt. Generell befürwortet Gareißen aber, dass die Richter den 7.Juni gestrichen haben: "Viele Jugendliche wären ansonsten um ihr Wahlrecht betrogen worden."

Was sein Kempener Parteikollege Udo Schiefner ähnlich sieht. "Damit sind die Tricksereien der Landesregierung nicht aufgegangen", sagt Schiefner nach dem Richterspruch aus Münster. Schiefner, der am 27.September für den Bundestag kandidiert, hätte am liebsten an diesem Herbsttag auch seine Kreuzchen für die Kommunalwahl gemacht.

Enttäuscht ist hingegen Volker Rübo, der Kempener Bürgermeister-Kandidat der CDU: "Der 7.Juni wäre ein guter Termin gewesen, zusammen mit der Europawahl." An diese Verbindung hätte man sich künftig gewöhnen können. Nun hat Rübo Bedenken, was die Belastung des Personals in den Wahlbüros, die horrenden Mehrkosten sowie die Wahlbeteiligung angeht.

Bürgermeister Christian Wagner (CDU) kann das Urteil nicht nachvollziehen. "Wieso drei Monate Zwischenzeit in Ordnung sind, aber vier Monate und 13 Tage mit dazwischen liegenden sieben Wochen Sommerferien mit demokratischen Grundsätzen unvereinbar sind, verstehe ich nicht." Vor Ort habe es keine Probleme mit dem frühen Wahltermin gegeben. "Die Nettetaler Parteien hegen kein Misstrauen gegeneinander.

"Ich begrüße das Urteil des Landesverfassungsgerichts", sagt Bernhard Müller-Wirtz, amtierender Fraktions-Chef der SPD im Nettetaler Rat. "Jetzt herrscht Klarheit." Vor allem für die Jungwähler sei die richterliche Entscheidung gut. "Sonst wären viele Jungwähler ausgeschlossen worden", sagt Müller-Wirtz.

Gudio Gahlings, Fraktions-Chef der Grünen, freut sich über das Urteil: "Ich war nie sehr glücklich über den frühen Wahltermin. Der große Abstand zwischen Wahl und Ende der Legislatur im Oktober und damit eine Parallelexistenz von neuem und altem Rat wäre problematisch."

"Wir bedauern den Vorgang sehr", bekennt hingegen Hans-Willy Troost als Fraktions-Vorsitzender der FDP. Den September-Termin hätte er abgelehnt. Mit dem Juni-Termin hätte man Kosten sparen und mehr Bürger zum Wahlgang motivieren können.

"Es ist bedauerlich, dass sich das Gericht nicht zu einer pragmatischen Lösung durchgerungen hat", sagt der Grefrather Bürgermeister Herbert Kättner (CDU). Vom Wahltermin am 7.Juni hätte die Europawahl in Bezug auf die Wahlbeteiligung sicherlich profitiert, sagt Kättner. Zudem sei die Chance vertan, dass in NRW Europa- und Kommunalwahl künftig immer gemeinsam stattfinden.

"Ich habe auf das Urteil gehofft", freut sich die Bürgermeister-Kandidatin der Grefrather SPD, Monika Nöthe. Der Abstand von 20 Wochen zwischen Wahl und Beginn der neuen Wahlperiode sei zu groß gewesen. Nöthe zieht die Zusammenlegung von Bundestags- und Kommunalwahl vor.

"Das Geld, das man nun für den dritten Termin 30.August ausgeben muss, hätte man in den Kommunen sinnvoller investieren können." Zudem sieht sie ein organisatorisches Problem, wenn die Wahlhelfer dreimal binnen vier Monate ran müssten. Dass sie ihren Urlaub im Sommer nun nicht wie geplant verbringen kann, ist ihr da egal. "Das krieg’ ich schnell umgeswitcht."

Den Grefrather FDP-Fraktions-Chef Horst Lübke belastet das mehr. "Der September-Termin wäre mir nicht sympathisch gewesen, weil ich sonst den Urlaub umplanen muss."

Dirk Drießen, Fraktions-Chef der Grünen, begrüßt die Entscheidung des Gerichtes und spricht sich gegen einen eigenen Termin für die Kommunalwahl aus: "Die Mehrkosten sind nicht zu vertreten." Zudem befürchtet er niedrige Wahlbeteiligung.

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