Kreis Viersen/Berlin Im großen Berlin dauert alles viel länger als in Kempen

Die WZ begleitet den SPD-Bundestagsabgeordneten Udo Schiefner in der Hauptstadt. Heute gibt’s den zweiten und letzten Teil der Reportage.

Kreis Viersen/Berlin: Im großen Berlin dauert alles viel länger als in Kempen
Foto: Peter Korall

Kempen/Berlin. „Was machen Sie da eigentlich in Berlin?“ Diese Frage wird dem SPD-Bundestagsabgeordneten Udo Schiefner gelegentlich gestellt. Die Westdeutsche Zeitung hat sich eine Woche lang an seine Fersen geheftet. Im zweiten Teil unseres Berichts geht’s mittwochs weiter.

Mittwoch. Die Schlagzahl wird höher. Petitionsausschuss in aller Frühe, gefolgt vom Verkehrsausschuss, der nichtöffentlich tagt. Direkt danach steht eine Anhörung auf dem Programm, die sich mit der Bildung einer Bundesfernstraßengesellschaft beschäftigt. Ein hochkomplexes Thema, das in der Praxis sicher noch ziemlich lange auf Umsetzung warten dürfte. Eines fällt dennoch auf: Die Behandlung von Themen hat oft eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem, was man aus der lokalen Warte kennt. Natürlich ist die Ebene eine andere.

„Und es dauert alles viel länger“, sagt Schiefner. „Manche Dinge brauchen ja Jahre, bis sie mal umgesetzt werden. Da hat ein Stadtrat seine Sachen schon zehnmal umgesetzt.“

Hektisches Mittagessen, dann muss Schiefner für die Verkehrs AG ins Plenum. Dort ist Fragestunde. Neben den üblichen Verkehrsthemen geht es aber auch um die Causa Böhmermann. In diesem Gremium hält sich die Aufregung rund um das sogenannte Schmähgedicht des Satirikers allerdings in Grenzen.

Die Zeit nach der Anhörung reicht gerade für eine Zigarette. Im Plenum steht die Aktuelle Stunde zum Thema „Panama Papers“ an. Die Positionen sind klar: Die Regierung tut seit Jahren jede Menge, um diesen Sumpf trockenzulegen. Die Opposition wirft ihr das genaue Gegenteil vor.

Ganz schnell ist es Abend. „Ich bin zu einem Gespräch mit dem Bundesverband der Luftfahrtindustrie“, sagt Schiefner, als er das Büro verlässt. So richtig wirkt er nicht, als habe er dazu sehr viel Lust. Aber danach fragt keiner. Was auffällt: Schiefner ist kommunikativ, kennt viele Menschen, hat oft ein locker geplaudertes Wort übrig. Auch für den Polizisten, der am Hintereingang des Reichstags nur Abgeordnete durchlassen darf: „Haben Sie sich im Urlaub einen Bart wachsen lassen?“ Der Beamte nickt, freut sich offenkundig über ein wenig Abwechslung.

Donnerstag. Schon der Tagesplan liest sich beeindruckend, lässt kaum eine Pause. Vor der Plenumssitzung zum Luftverkehrsgesetz spricht Bundestagspräsident Norbert Lammert zum Tod von Hans-Dietrich Genscher und Guido Westerwelle. Unmittelbar nach der Sitzung hat sich der Betriebsrat des Fahrdienstes zu einem Gespräch angesagt. Dann geht’s wieder ins Plenum, das sich mit gesundheitsgefährdenden Abgasbelastungen beschäftigt. Am Nachmittag steht eine namentliche Abstimmung an. Gespräche mit Kollegen, Telefonate, die Post, die im Büro wartet. Nein, Langeweile sieht anders aus. Und man versteht, wenn der 56-Jährige bei dem ein- oder anderen Nicht-Pflicht-Termin darüber nachgrübelt, ob er ihn nun dringend wahrnehmen muss. „Ich versuche, alles zu schaffen, was ich mir vorgenommen habe“, erklärt Schiefner. Allerdings merkt man ihm an, dass er froh ist, wenn ein anberaumtes Gespräch abgesagt wird.

Freitag. Es ist ruhig, relativ ruhig. Schiefner muss ein Telefonat mit einem Oberbürgermeister aus dem Rheinland führen, weitere Telefongespräche folgen. Für den späteren Vormittag hat sich eine Gruppe angesagt, die durch den Reichstag geführt werden soll. „Das ist nicht immer so ruhig. Oft muss ich an Plenumssitzungen teilnehmen und komme erst am Abend weg“, sagt Schiefner. Manchmal werde es sogar Samstagmorgen bis die Heimreise nach Kempen ansteht.

An diesem Freitag geht alles glatt. Das Flugzeug verlässt am Nachmittag Tegel in Richtung Düsseldorf. Wochenende. Das allerdings ist nicht frei von Terminen. Besuche bei Vereinen stehen an, ebenso eine Konferenz des Unterbezirks. Die eigentliche Arbeit im Wahlkreis halt. Und am Sonntag ist in Bonn der Staatsakt für den verstorbenen Hans-Dietrich Genscher. Zeit bleibt an diesem Freitag allerdings für einen ganz privaten Fernseh-Termin: Borussia tritt zum Auswärtsspiel an.

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