Helfende Hände mit Herz: Zum Leben gehört auch die Sorge für die Armen

Der Verein versorgt Bedürftige mit gebrauchten Möbeln. Vorsitzende Renate Verhalen will zu mehr Menschlichkeit beitragen und sucht ehrenamtliche Mitarbeiter.

Nettetal. In einer geschenkten bunten Welt wächst sie auf, die kleine Miriam: In ihrem Kinderwagen lagen vorher schon andere, fremde Babys. Ihre Eltern sitzen auf einem verschnörkelten, geblümten Sofa. Neben dem kantigen Schrank aus dunklem Holz steht ein heller Kieferntisch, darüber hängt ein uralter Kronleuchter. "Alle Möbel, die Haushaltsachen, alles haben wir von den Helfenden Händen bekommen", erzählt der Vater. Geschenkt? "Na ja, fast", zögert er, "insgesamt, mit den Küchengeräten, haben wir 100 Euro dafür bezahlt, in kleinen Raten, wir haben ja selbst eigentlich nix, da hat Frau Verhalen viel Verständnis für uns."

Renate Verhalen ist die Gründerin, Vorsitzende und treibende Kraft der "Helfenden Hände mit Herz", im Volksmund meist nur "Helfende Hände" genannt: Der gemeinnützige Verein versorgt unbürokratisch arme Menschen in Nettetal mit gebrauchten Möbeln und Einrichtungs-Gegenständen. Und hat alle helfenden Hände voll zu tun: "Zum Leben in unserer Stadt gehört auch die Sorge für die Armen. Und der Bedarf ist in den letzten Jahren enorm gestiegen", hat Renate Verhalen festgestellt.

Das bestätigt auch Miriams Vater: "Die meisten Mieter hier im Haus säßen in fast leeren Wohnungen, wären die Helfenden Hände nicht." Seine kleine Familie ist ein "typischer Fall": Er selbst arbeitslos, war lange im Ausland, ob er Unterstützung bekommt, ist noch nicht geklärt. Miriams Mutter bezieht eine kleine Waisenrente, von der alle drei mehr schlecht als recht in dem Mehrfamilienhaus an einer Nettetaler Hauptverkehrsstraße leben.

Behördengänge und Anträge seien oft zermürbend, sagen sie, da fehle mitunter die Kraft: "Ohne die Helfenden Hände hätte unsere Kleine wohl nicht mal einen Kinderwagen."

Ob Kinderwagen oder Kühlschrank, Bett oder Küchentisch- die "Helfenden Hände" haben zwei Lagerhallen voll mit Sachen, die andere Menschen nicht mehr brauchen. Denn das ist das Konzept des Vereins: "Wir übernehmen Einrichtungs-Gegenstände, wenn Leute sich was Neues kaufen oder die Möbel bei einem Umzug nicht mitnehmen können", erklärt Renate Verhalen. Einzige Bedingung: "Die Sachen müssen in Ordnung sein, denn die Würde soll bewahrt bleiben, wenn schon Menschen auf Hilfe angewiesen sind."

Deshalb wird normalerweise auch nichts verschenkt. Renate Verhalen: "Jeder zahlt, was er kann, da werden wir uns immer einig." Wichtig sei bei allem die Vertraulichkeit- weshalb die kleine Miriam nicht bei ihrem richtigen Namen genannt wird.

Mitunter bringen die "Helfenden Hände" eine Sitzgarnitur oder einen Kühlschrank gleich vom Vorbesitzer in die Wohnung armer Mitbürger. "Es passiert schon mal, dass etwa eine junge Frau kommt und weint, sie sei weg von ihrem gewalttätigen Mann, habe plötzlich gar nichts mehr", erzählt Renate Verhalen. Und hält inne: Solche Erfahrungen hat sie selbst machen müssen, wurde als Kind und später als junge Frau schwer misshandelt, wäre ohne uneigennützige Hilfe lieber Mitmenschen kaum wieder auf die Beine gekommen. "Für die Hilfe damals bin ich so dankbar, dass ich mein Leben lang davon etwas zurückgeben möchte."

Mit dem Verein "Helfende Hände", vergleichbar mit Organisationen wie Emmaus oder Caritas in Großstädten, will die 63-Jährige "einfach zu etwas mehr Menschlichkeit beitragen". So viel Menschlichkeit weckte Argwohn: Vor einigen Jahren behaupteten Politiker laut Renate Verhalen, in der schönen Stadt Nettetal gebe es keinen Bedarf für so einen Verein.

Mittlerweile wendet sich die Stadt selbst an die "Helfenden Hände", weist auf bedürftige Menschen hin, die einen Hartz-IV-Nachweis als Berechtigung vorweisen können. Alfred Kroeckert vom Sozialamt: "Für Menschen, die in Not geraten sind, ist es einfach positiv, was die ,Helfenden Hände’ leisten." Die Zusammenarbeit sei wichtig, weil sich manche arme Menschen aus Scham nicht an die Behörden, sondern erst an Renate Verhalen wenden.

Der Verein allerdings hat auch mit Problemen zu kämpfen, gibt die Vorsitzende zu. So versuchen immer wieder Bürger, die "Helfenden Hände" als Entrümpler zu missbrauchen, laden gar einfach ihren Sperrmüll vor dem Lagertor ab.

Die geringen Erlöse aus dem Weiterverkauf reichen nicht immer für die Miete der Lagerhallen. "Und wir brauchen Unterstützung, wir paar Leute können mit nur einem Lieferwagen die Organisation oft kaum schaffen", erklärt Mitarbeiterin Birgit Dlugay. Sie selbst engagiert sich in jeder freien Minute, räumt im Lager auf, reinigt Lampen und Geschirr vor dem Weiterverkauf. "Ich habe drei gesunde Kinder", sagt die 43-Jährige, "dafür bin ich dankbar und das ist für mich allemal ein Grund, anderen zu helfen." Fürs Leben sei "Engagement wichtiger als Konsum", das möchte sie auch ihren Kindern zeigen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort