Kinderreporter Chirurg: „Wir sind gute Handwerker und keine Götter in Weiß“

Im Auftrag der WZ trafen sich die Grundschüler Sophie und Conrad mit Chefarzt Dr. Sven Hansen im Kempener Hospital zum Interview.

Kinderreporter: Chirurg: „Wir sind gute Handwerker und keine Götter in Weiß“
Foto: Kerstin Reemen

Kempen. Sophie und Conrad haben soeben am offenen Kunststoff-Kubus ihren Facharzt in Stäbchen-Chirurgie gemacht: Mit Präzision und Fingerspitzengefühl haben sie an einem Organläppchen aus Gummi einen Faden durchtrennt. Chefarzt Dr. Sven Hansen verfolgt die Operation voller Anerkennung.

Die Kinder haben’s drauf und die Vorgehensweise der Schlüsselloch-Chirurgie verstanden. Beeindruckt ist der Mediziner auch von den Fragen der beiden Neunjährigen, die sie mit ihrer Klasse 3a von der Grundschule Wiesenstraße in Kempen zusammengestellt haben. Im Auftrag der WZ fragen die Kinderreporter „Doktor med.“ Löcher in den Bauch.

Schließlich sitzen Sophie und Conrad im Büro einem Chirurgen gegenüber, der „Chefarzt Allgemein- und Viszeralchirurgie“ auf dem Revers des weißen Kittels stehen hat. „Ich behandele alles, was im Bauch ist“. Und die Schilddrüse. Die ist weiter oben im menschlichen Körper, der „so faszinierend ist“, schwärmt Hansen. „ Da hat der liebe Gott etwas Tolles gemacht.“

„Warum sind Sie Arzt geworden?“ fragt Conrad. Gedanklich, erzählt Hansen, sei er vor dem Abitur zunächst in eine andere berufliche Richtung unterwegs gewesen: „Ich spiele leidenschaftlich gerne E-Gitarre. Ich wollte Ingenieur werden und eigene Verstärker bauen.“ Da er aber in Mathe „keine Leuchte“ gewesen sei, habe er davon Abstand genommen.

„Durch Bekannte bekam ich Einblick in medizinische Berufe. Ich habe auf einer Krankenstation gearbeitet.“ Es habe ihm imponiert, als Arzt Menschen helfen zu können. „Und als damals meine Oma schwer erkrankte, fühlte ich mich ohnmächtig, traurig, Das hat mich in meinem Wunsch bestärkt.“ Eine gut verlaufene OP löse Glücksgefühle aus, „wenn der Patient das Krankenhaus geheilt verlassen kann und nicht mehr an den Arzt denken muss“. Bis heute, sagt Hansen, „gehe ich jeden Tag gerne zur Arbeit“.

Lange Arbeitszeiten und auch Schlafmangel nimmt er in Kauf. „Das bedeutet auch eine Anspannung für die Familie. Ich habe drei Kinder. Die haben ihren Papa nicht ganz so oft gesehen, wie gewünscht.“ Aber, erzählt er Sophie und Conrad stolz, seine Tochter studiere nun auch Medizin.

Sein Studium habe ihm viel Spaß gemacht, sagt Hansen. „Biologie, Physik, Technik. Gleichzeitig hat man mit vielen Menschen zu tun.“ Dass ein Medizinstudium sechs Jahre dauert und die Spezialisierung zum Facharzt sich anschließt, beeindruckt die jungen Reporter. Conrad: „Das ist viel!“ Sven Hansen nickt. „Zunächst muss man sich Grundwissen aneignen, viel auswendig lernen, verstehen und behalten.“ „So wie bei einem Gedicht?“ fragt Sophie. „Genau. Erst zwei, dann vier, dann sechs Zeilen. Oder wie beim Lernen einer Fremdsprache. Erst paukt man die Vokabeln, später spricht man, ohne Wort für Wort darüber nachzudenken.“

„Haben Sie schon einmal einem Patienten das Leben gerettet. Wie fühlt sich das an?“ möchte Conrad wissen. „Das ist ein Glücksgefühl, das man mit keinem Geld der Welt bezahlen kann.“ Aber man dürfe nicht hochnäsig werden, warnt Hansen: „Wir Ärzte sind gute Handwerker und keine Götter in Weiß.“ Je mehr er in seinem Berufsleben erlebe, desto demütiger werde er. „Ich bin schon stolz auf meine Arbeit, aber ich renne nicht in die Stadt und sage: Seht her, ich bin Arzt.“

Als Sophie fragt, „haben Sie schon einmal jemanden sterben sehen?“, nickt Hansen und wird ernst. Das seien die Schattenseiten des Berufs. „Wir können nicht jeden Patienten heilen, nicht jede Krankheit beherrschen. Aber wir können Schmerzen lindern, helfen, dass die Krankheit besser ertragen wird.“

Als es dann darum geht, was er denn am liebsten untersuche, lacht Hansen wieder. „Den Bauch im Allgemeinen. Wenn ein Patient unklare Bauchschmerzen hat, dann habe ich Spaß dran, das Rätsel zu lösen. Kneift es? Oder ist es ein Dauerschmerz? Ist er immer an der selben Stelle, eher oben oder unten?“

Angst vor Fehlern? Ja, die kenne er. „Man muss Respekt haben. Immer vorausschauend arbeiten, überlegen, was passiert, wenn ich dies oder das tue. Das habe ich von meinem Vater gelernt. Er ist Handwerker.“

Die „Sprechstunde“ neigt sich dem Ende zu. Dr. Hansen führt die Kinderreporter noch durchs Hospital, zeigt ihnen Notaufnahme, OP-Bereich und Krankenzimmer, schwärmt vom Teamgedanken und zeigt, wie man die grüne OP-Haube aufsetzt und vor allem zubindet. Das, verrät er den Kindern, weiß nämlich nicht jeder. Aber Sophie und Conrad. Sie sind ja jetzt vom Fach.

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