Als die Braut noch schwarz trug

Wie Liebe anno dazumal am Niederrhein aussah, weiß Anke Wielebski vom Freilichtmuseum Dorenburg zu berichten.

Als die Braut noch schwarz trug
Foto: Kurt Lübke

Grefrath/Kempen. Wie war sie denn so, die Liebe anno dazumal? Glaubt man der Literatur und der Musik, ging’s ganz schön rund. Die wahre Liebe siegte nicht oft, Politik Geld, Macht spielten eine viel größere Rolle. Egal ob in der Stadt oder auf dem Land. Und deshalb trug die Braut schwarz, wie auf Bildern und frühen Fotografien zu sehen?

„Das war im späten 19. Jahrhundert durchaus üblich“, weiß Anke Wielebski, Leiterin des Freilichtmuseums Dorenburg. Mit ihr sprach die WZ übers Heiraten am Niederrhein. Das Kleid habe die Frauen ein Leben lang begleitet — beim Kirchgang, der Silberhochzeit, bei Beerdigungen. Ein Kleid nur für einen Anlass, das konnten sich die wenigsten leisten. „Es wurde sicherlich hin und wieder verändert und war schon auf Zuwachs gearbeitet“, sagt Wielebski.

Weiß war nur der Schleier. Man geht davon aus, dass dies an die Tracht der Ordensfrauen angelehnt war. An der Länge des Schleiers habe man ablesen können, wie reich der Brautvater, der die Hochzeit ausrichten musste, war: je länger, desto vermögender. Ganz weiß wurden die Bräute, beziehungsweise ihre Kleidung, nach der Hochzeit von König Victoria. Die englische Queen ehelichte am 10. Februar 1840 ihren Cousin Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha. Damals wie heute wurde vom Volk aufgegriffen, was bei den Royals angesagt war.

„Doch bis sich der Trend auch auf dem Land durchgesetzt hat, hat es eine Weile gedauert, teilweise bis in die 1950er Jahre“, sagt Wielebski. Er hingegen trug schwarz, Frack oder Gehrock, Zylinder und ein Myrrhensträußchen am Revers. Die Braut schmückte sich mit einem Myrrhenkranz. „Als Zeichen der Unschuld“, so die Museumsleiterin. Myrrhe sei in Griechenland der Aphrodite geweiht gewesen.

Gefühle oder Kalkül, die Ehe brauchte irgendwann einen gesellschaftlichen Status. Seit der zweiten Lateransynode (April 1139) gilt die Ehe in christlichen Kreisen als Sakrament. Die standesamtliche Zeremonie wurde im Rheinland mit dem Code Civil eingeführt. Napoleon Bonaparte veröffentlichte am 21. März 1804 dieses französische Gesetzbuch zum Zivilrecht, das auch in den von ihm besetzten Gebieten galt. Standesämter gab es erst 1875, so Wielebski. Bis dato übernahmen Dorflehrer oder Bürgermeister die zivile Trauung.

Wielebski vermutet, dass dieser Umstand bei den führenden Köpfen einer Gemeinde wie Bürgermeister, Lehrer und Priester zu einigen Spannungen geführt haben muss. Und so habe die kirchliche Trauung auch teilweise bis heute noch noch einen höheren Stellenwert als die standesamtliche. Eine der Auswirkungen: Das Bett wurde erst nach der kirchlichen Hochzeit geteilt.

Das war sicherlich häufig genug Theorie. Denn auf dem Land ging es nicht, sagen wir mal, so verklemmt zu. Wer beengt wohnte, bekam das eine oder andere Liebespiel von Eltern oder Gesinde mit.

Den Stellenwert der Hochzeit in der Gesellschaft findet Wielebski „spannend“. Ein Mann heiratet eine Frau, eine Frau wird geheiratet“, so schildert sie den damaligen Standpunkt. Liebesheiraten habe es sicherlich auch früher gegeben, doch die Verbesserung des gesellschaftlichen Status’ habe eine bedeutende Rolle gespielt. Auf dem Land habe der erste Sohn den Hof geerbt. Durch die Heirat mit einem Hoferben hatte eine Frau die Chance auf einen eigenen Betrieb. Hatte sich der Man eine reiche Braut ausgesucht, so konnte er seinen Betrieb vergrößern. Und wenn sie nicht reich war, sollte sie wenigsten zupacken können — als erste Dienstmagd auf dem Hof. Durch die strikte Regelung der Erbverhältnisse zog es viele, die nichts zu erwarten hatten, in die Städte. „Die Töchter hielten nach Kaufleuten und Beamten Ausschau, um sich zu verbessern“, sagt Wielebski. Der Heiratsmarkt auf dem Dorf war beschränkt. Kirchweih, Tanzveranstaltungen, Schützenfeste, Hochzeiten — viele Gelegenheiten gab es nicht, Bekanntschaft mit dem anderen Geschlecht zu machen. Internet hat’s damals nicht gegeben, so die Museumsleiterin. Aber Heiratsanzeigen durchaus. Wie die hätten aussehen können, zeigt ein Spiel, das im Museum zu finden ist: „Der Heiratsmarkt, ein fröhliches Spiel für alle Heiratslustigen“ aus den 1930er Jahren. Männlein und Weiblein verschiedener gesellschaftlicher Schichten suchen eine(n) Partner/in mit ganz speziellen Ansprüchen. Da lassen sich lustige Kombinationen denken.

Doch zurück zur Hochzeit. Schon lange bevor es soweit ist, haben die jungen Frauen angefangen, ihre Aussteuer zu vervollständigen. „Es gibt Fotos aus dem süddeutschen Raum, auf dem hochbeladene Fuhrwerke, sogenannte Brautwagen, zu sehen sind, voll mit Möbeln, Geschirr, Wäsche und Eingemachtem. Hier im Niederrheinischen ist es sicherlich auch ähnlich zugegangen“, sagt Wielebski. Nicht selten hat sich ein Brautvater verschuldet, um seine Tochter gut unter die Haube zu bekommen und auch das eigene Ansehen nicht zu beschädigen.

Auch das Brautpaar wollte den schönsten Tag des Lebens unvergessen machen und griff tief in die Tasche. Da sieht Wilebski durchaus Parallelen zu heute. Beispielsweise beim Hochzeitsfoto. Der Gang zum Fotografen war teuer. „Heute muss man manchmal Stunden auf die Brautleute warten, weil die irgendwo mit einem Fotografen unterwegs sind. Das wird dann auch teuer“.

Mit der Aussteuer war die Tochter im Prinzip ausbezahlt und gehörte dem Ehemann. Was durchaus wörtlich zu nehmen ist. Prügeln war bis 1928 in der Ehe rechtlich sanktioniert. Bis 1977 mussten Frauen ihre Ehemänner um Erlaubnis fragen, wenn sie einer beruflichen Tätigkeit nachgehen wollten. Bis 1958 konnte ein Ehemann das Dienstverhältnis seiner Frau fristlos kündigen. Da wurde so manche Liebe/Ehe nicht nur anno dazumal auf eine harte Probe gestellt.

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