Kaiser’s-Mitarbeiter mit Tränen in den Augen

Der Schock nach dem Bekanntwerden der Zerschlagung sitzt tief. Auch Viersens Bürgermeisterin Sabine Anemüller zeigt sich bestürzt.

Kaiser’s-Mitarbeiter mit Tränen in den Augen
Foto: Busch

Viersen. Die Mitarbeiter in den Filialen zeigten sich gestern wortkarg; einigen standen Tränen in den Augen. „Das Schlimme ist, dass die Ungewissheit jetzt schon zwei Jahre andauert“, sagte eine Verkäuferin. „Vergangene Woche wurde uns noch Hoffnung gemacht, dass eine Fusion noch klappen könnte. Und nun sollen wir zerschlagen werden.“

Die Unternehmensgruppe Tengelmann wird in der kommenden Woche damit beginnen, für das Fleischwerk in Viersen sowie das Filialnetz der Kaiser’s-Vertriebsregion Nordrhein Interessensbekundungen am Markt einzuholen.

„Leider müssen wir davon ausgehen, dass für zahlreiche Filialen kein Supermarktbetreiber gefunden werden kann“, sagte der Gesellschafter von Kaiser’s Tengelmann, Karl-Erivan W. Haub, am Donnerstagabend. „Deshalb steht eine große Zahl von Mitarbeitern vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze.“ Bundesweit sind es rund 16 000, im Kreis Viersen rund 600 Frauen und Männer, die für das Unternehmen mit der lachenden Kaffeekanne im Logo arbeiten — die überwiegende Mehrheit der 600 in der Stadt Viersen. Haub sagte, er habe die Geschäftsführung von Kaiser’s beauftragt, in umfassende Sozialplanverhandlungen einzutreten.

Ganz hat der Firmenchef die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass eine Fusion mit Edeka noch gelingt. Im Oktober 2014 hatten die Unternehmensgruppe Tengelmann und der Edeka-Verbund das Fusionsvorhaben beim Bundeskartellamt zur Genehmigung eingereicht. Das hatte den Zusammenschluss verboten.

Sabine Anemüller (SPD), Bürgermeisterin

Bundeswirtschaftsminister Siegmar Gabriel (SPD) setzte das Verbot im März dieses Jahres durch eine Ministererlaubnis unter Auflagen außer Kraft. Dagegen hatten jedoch Rewe und Markant beim Oberlandesgericht Düsseldorf Antrag auf Vollzugsverbot der Übernahmepläne gestellt — und Recht bekommen.

„Edeka und wir hatten eine gemeinsame Vision, wie wir trotz unseres Rückzugs aus dem Supermarktgeschäft 16 000 Arbeitsplätze erhalten und langfristig sichern können“, betonte Haub. „Dafür haben wir bis zum Schluss mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gekämpft — bisher leider vergeblich.“ Er kündigte an: „Wir werden in den kommenden Wochen parallel zur Vorbereitung des Abwicklungsszenarios weiter versuchen, den Weg zum Vollzug der Ministererlaubnis frei zu machen.“ Dass das gelingt, halten Experten hingegen für unwahrscheinlich. Und auch nur die wenigsten der mehr als 300 Beschäftigten von Kaiser’s Tengelmann in der Kreisstadt Viersen dürften etwas davon haben: Die zur Tengelmann-Gruppe gehörende Fachmetzgerei Birkenhof in Viersen mit ihren 90 Beschäftigten wollte Edeka nicht übernehmen, machte das gar zur „nichtverhandelbaren“ Bedingung. Die Gewerkschaft NGG stimmte zu, um die Jobs der Mitarbeiter in zwei weiteren Birkenhof-Fleischwerken in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern zu retten. Nun sucht Haub für die Fleischwerke einen Käufer.

Und bereits im vergangenen Jahr protestierten Mitarbeiter des in der Branche als veraltet geltenden Logistikzentrums an der Ernst-Moritz-Arndt-Straße bei einer „kämpferischen Mittagspause“ gegen den drohenden Arbeitsplatzverlust. 250 Frauen und Männer sind dort beschäftigt. Das Interesse von Edeka an dem Warenlager soll gering gewesen sein. Daneben hat die Regionalverwaltung von Kaiser’s Tengelmann ebenfalls ihren Sitz in Viersen. Ob sie bei einer Fusion mit Edeka bliebe? Unwahrscheinlich.

Viersens Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) hat sich gestern mit großem Bedauern über die geplante Zerschlagung geäußert. „Mit großem Bedauern habe ich erfahren müssen, dass die Entscheider keine Einigung erzielen konnten. Für Viersen, die Wiege von Kaiser‘s, ist diese Entwicklung schrecklich“, sagte Anemüller. Für die Sicherung der Nahversorgung der Bürger wie auch für die künftige Nutzung der weiteren Flächen am Lichtenberg würden sich vernünftige Lösungen finden, zeigte sie sich überzeugt. „Große Sorgen bereiten mir dagegen der drohende Wegfall von Arbeitsplätzen und die Folgen für die davon betroffenen Menschen“, sagte Anemüller. „Hier unterstützend zu wirken, wird eine wichtige Aufgabe auch für die Stadt Viersen sein.“ Die Bürgermeisterin versprach: „Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, hier das bestmögliche Ergebnis zu erreichen.“

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