Grefrath Vom Feuermann und guten Geistern

Bei einer Führung in der Dunkelheit durch das Freilichtmuseum erfuhren die Teilnehmer allerlei Interessantes aus „düstereren“ Zeiten.

Grefrath. Ihnen begegnet ein Gerippe, aus dem Flammen schlagen? Das ist ein Feuermann. Sollte es neblig sein, führt er Sie nach Hause. Als Dank ist ein „Vergelt’s Gott“ angebracht. Fehlt dieses, könnte es Ihnen schlecht ergehen und beispielsweise Ihr Haus abbrennen. Wären wir im Mittelalter, hätte es die etwa 15 Zuhörer von Kevin Gröwig gehörig gegruselt. So haben sie nur etwas Interessantes dazugelernt am späten Dienstagnachmittag bei der ersten Führung des Stellvertretenden Museumsleiters „Im Dunkel der Nacht“ durch das Niederrheinische Freilichtmuseum.

Grefrath: Vom Feuermann und guten Geistern
Foto: Kurt Lübke

Bevor es eineinhalb Stunden über das Gelände an der Stadionstraße geht, bringt Gröwig den Besuchern den Begriff Dunkelheit und seine Verbindung mit Unsicherheit und Angst näher. In grauer Vorzeit war es des Nachts deutlich düsterer als heute in Zeiten von Straßenlaternen und beleuchtenden Häusern. Erst im 19. Jahrhundert sei die Straßenbeleuchtung aufgekommen. Und so konnten die Menschen nächtens Schabernack treiben oder waren mit verbrecherischen Absichten unterwegs. Deshalb war es Pflicht, ab 21 Uhr entweder eine Pechfackel oder eine Lampe mitzuführen. Gröwig: „So konnten Bösewichte ausfindig gemacht werden.“

Danach geht es bei starkem Wind, Regen und Kälte über das ansonsten menschenleere Gelände zu den einzelnen Stationen. Vorneweg marschiert Gröwig mit einer Petroleumlampe vorbei am Grenzstein — vorsicht, dort halten sich gerne Feuermänner auf — Richtung Hofanlage Waldniel. Dort geht es um Schatten. Auch dieser Begriff ist negativ belegt, beispielsweise als Metapher für Tod, so Gröwig. Auch Redewendungen wie „Schatten aus der Vergangenheit“ und „im Schatten stehen“ seien eher negativ zu werten. Vom Schatten geht’s über Schattentheater zu Schattenspielen. Gröwig hat Karten aus dem Spielzeugmuseum mitgebracht, die zeigen,wie mit den Händen Figuren an die Wand geworfen werden können. Und so dürfen die Zuhörer aktiv werden und Gans, Huhn oder Hexe an die Ziegelwand werfen.

Nächste Station: Leichenwagen, den der Museumspädagoge mit Lampen in Szene gesetzt hat. Dort sind Wiedergänger das Thema — Verstorbene, die wieder erscheinen. Und das sollte nicht geschehen. Deshalb wurden die Leichen gefesselt, fest eingewickelt und der Sarg wurde gut zugenagelt. „Anfällig“ für eine Wiederkehr waren Verstorbene, die vor ihrer Zeit das Zeitliche gesegnet hatten, durch Krieg oder Mord und „besonders Verbrecher selbst“, so Gröwig, die dadurch noch bestraft wurden.

Dann geht es es um die Nachzehrer. Dem Vampir ähnlich, nur im Gegensatz zu diesem, müssten sie nicht aus ihren Sarg heraus. „Sie konnten aus dem Grab heraus Menschen und Dinge ansaugen.“ Also durfte kein Leichentuch oder keine Grabbeigabe ihren Mund bedecken. Die Opfergruppe dieser Wiedergänger war die eigene Familie. Und so war es nicht verwunderlich, wenn diese „schmatzende Geräusche aus Gräbern gehört haben wollten“, dass diese aufgemacht wurden. „Dann wurden die Leichen gepfählt, geköpft oder verbrannt oder alles zusammen“, berichtet Gröwig.

Am Wohnhaus der Anlage Rasseln dürfen die Besucher durchs Fenster linsen und sagen, auf was sie blicken. Das sind einmal ein Bild von Maria und Jesus und ein Spiegel. Alle drei sollen Geister schon vor dem Haus abschrecken. Besonders schlimm unter ihnen war der Alp, der sich dem Schlafenden auf die Brust setzte und schlecht träumen ließ. Bevor Sie jetzt anfangen, umzuräumen: „Man kann auch das Schlüsselloch zukleben“, weiß Gröwig.

Vor der angeleuchteten Dorenburg geht es um ein reales Geschöpf, die Eule. Als leiser Flieger der Nacht stellt Gröwig den Vogel vor und zeigt auch Reste eines Gewölles. Ein Bewohner des Freilichtmuseums ist die Eule jedoch nicht.

Unter dem Torbogen der Hofanlage Hagen vertieft Gröwig das Thema Straßenbeleuchtung und Feuer. Dazu hat er einen Feuerstein und ein Schlageisen dabei. Mit Schutzbrille lassen er und anschließend eine Besucherin Funken sprühen. „Das ist nicht schwer“, stellt er fest. „Aber einen Funken in Zunder fallen zu lassen, mit dem dann ein größeres Feuer entfacht werden kann, das ist gar nicht so leicht.“

Auf dem Land wurden erst spät Straßenlaternen und elektrisches Licht installiert. So sorgten das Herdfeuer, Talgkerzen, kleine Lampen aus Eisen mit Rapsöl für mehr oder weniger schummriges Licht. Fast wie eine Taschenlampe funktionierten Kienspäne, die lange und kontrolliert abbrennen. „Sie konnten sogar im Mund festgehalten werden“, sagte Gröwig. Und stellt noch schnell den Maulaffen vor. Ein kleines Gefäß mit einer mundähnlichen Öffnung, in dem Feuer über längere Zeit überdauerte, damit man beispielsweise am Morgen nach dem Aufstehen nicht die Prozedur des Funkenschlagens durchführen musste.

Endstation der Tour ist die Kornbrennerei. „Mit einem Schnaps oder einem Bier konnte man Hausgeister bezahlen“, erklärt Gröwig. Das waren gute Geister mit Namen wie Heinzelmann, Pfeifermännchen oder Walterken, die über Nacht im Haushalt anpackten. Bekleidung als Bezahlung ging gar nicht, dann waren sie weg. Zum Abschluss kredenzt der stellvertretende Museumsleiter seinen Gästen einen Apfelschnaps — ein willkommenes Getränk, um die Kälte für den Heimweg zu vertreiben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort