Grefrath Für einen „Wink Gottes“ gebetet

Es ist eine Entscheidung fürs Leben, wenn man den Gang ins Kloster wählt. Schwester Judith (81) und Schwester Martha (42) sind ihn gegangen und berichten in der WZ-Serie, wie es dazu kam.

Mülhausen. Das Wort Berufung hat mehrere Bedeutungen: So legt man Berufung gegen ein Urteil ein; wird auf einen Lehrstuhl als Professor berufen oder folgt dem inneren Ruf und ergreift einen besonderen Beruf, wählt eine besondere Lebensweise. In der heutigen Folge über das Leben in der Abtei Mariendonk geht es um letztere Bedeutung des Begriffs. Im WZ-Gespräch erzählen Schwester Judith (81) und Schwester Martha (42) von ihrem Weg vom weltlichen Leben ins klösterliche.

Grefrath: Für einen „Wink Gottes“ gebetet
Foto: Kurt Lübke

Schwester Judith ist mit einem älteren Bruder in Düsseldorf aufgewachsen. Ihre Eltern waren Schauspieler, die Familie evangelisch. Ihren Lebensweg hatte sie sich anders vorgestellt. Aber: „Plötzlich kam das Kloster dazwischen“, sagt sie. Den Kontakt zur katholischen Kirche fand die Familie über den Vater, der einen Pater im Benediktinerkloster Maria Laach in der Eifel kannte. „Das hat mich fasziniert, als ich die Mönche live gesehen habe.“ Schwester Judiths Mutter wiederum kannte einen Priester in Krefeld, mit dem sie sich ausgetauscht hat.

„Wir haben zu Hause ständig über religiöse Themen gesprochen. Aber jeder von uns Dreien hat für sich unabhängig von den anderen beschlossen, katholisch zu werden. Und der Gedanke an das klösterliche Leben hat mich nicht mehr losgelassen.“

Sie habe gebetet, dass „der Herr mir irgendwie einen Wink gibt, ob er mich haben will“, sagt sie. „Und plötzlich habe ich es gewusst.“ Ein Jahr, nachdem sie katholisch geworden war, ging sie nach Mülhausen. Das war 1956.

Und warum hat sie sich für Mariendonk entschieden? „Meine Mutter hatte dem Priester in Krefeld von meinem Wunsch erzählt, ins Kloster zu gehen. Er meinte, Mariendonk wäre genau das Richtige für mich“, erinnert sich Schwester Judith. Natürlich sei sie dem Vorschlag nicht blind gefolgt, sondern habe sich gründlich informiert und festgestellt: „Das passt. So und dort will ich leben.“

Schwester Martha stammt aus Berlin. Dort ist sie mit einer neun Jahre älteren Schwester aufgewachsen. „Meine Eltern waren im Einzelhandel tätig. Nachdem ich festgestellt hatte, dass Krankenschwester nichts für mich ist, habe ich eine Ausbildung als Verkäuferin gemacht“, erzählt sie. Das habe ihr Spaß gemacht. Nach der Wende 1991 habe es ihren Eltern nicht mehr in Berlin gefallen, deshalb seien sie mit ihr in die Pfalz, in die Nähe von Speyer, gezogen. Damals war Schwester Martha 16.

Schwester Martha

„Wir waren katholisch und nicht besonders religiös. Sind nur an Weihnachten in die Kirche gegangen“, sagt die 42-Jährige. Auf dem Dorf sei es langweilig gewesen, so dass sie eines Tages in die kleine Kapelle gegenüber gegangen sei, angezogen durch deren Läuten. Das habe sie immer öfter gemacht und gemerkt, „dass mich das froh macht“. Erst habe sie ein Kreuz in ihrem Zimmer aufgehängt, dann einen Rosenkranz gekauft. „Meine Eltern haben sich zwar gewundert. Aber wir haben nicht darüber geredet, wir fanden keine Worte miteinander“, erinnert sie sich.

Dann habe sie einen Roman gelesen, der im Mittelalter spielte und von Klöstern und Mönchen handelte. Daraufhin habe sie sich die Frage gestellt: Gibt es das heute auch noch? In der Diözesanbibliothek in Speyer habe sie sich dann Bücher über Klöster und später speziell über Frauenklöster ausgeliehen. „Als ich darüber gelesen habe, traf es mich wie ein Schlag“, sagt Schwester Martha. „Es hat mich bewegt, dass Menschen ihr ganzes Leben für Gott geben, den Glauben radikal leben.“

Eines Tages, so Schwester Martha, habe sie sich das Kloster Mariendonk ausgesucht. „Ich wollte nicht in die Mission, nicht draußen tätig werden.“ Deshalb habe das Benediktinerkloster sie angesprochen. „Ich habe eine Art Bewerbungsschreiben aufgesetzt und nach drei Tagen schon eine Antwort und Einladung erhalten.“ So habe sie sich auf den Weg gemacht. „Meine Eltern wussten nichts. Sie dachten, ich wollte mir eine Stelle suchen.“ „Wahnsinnig aufgeregt“ sei sie gewesen und habe gedacht: „Ich bin völlig verrückt, konnte aber nicht anders“, erinnert sich Schwester Martha. Die Aufnahme in Mariendonk, die offenen Gespräche dort seien beeindruckend gewesen. „Ich war vier Tage hier und habe mich sofort zu Hause gefühlt.“ Sie habe der Äbtissin mitgeteilt, dass sie ins Kloster eintreten will. Diese habe zur Bedingung gemacht, dass sie erst ihre Ausbildung beendet. „Ich war mit 21 noch recht jung. Doch direkt nach dem Abschluss bin ich eingetreten.“

Schwester Judith

Ihre Eltern seien überrumpelt gewesen. Vor allem ihr Vater habe sich Sorgen gemacht, ob sie im Kloster gut versorgt sei, beispielsweise ob es eine Renten- und Krankenversicherung gebe. Ein Brief der Äbtissin habe ihn jedoch beruhigt. „Für meine Mutter war es ein Schlag, ihre Tochter zu verlieren. Meine Schwester hat mich nur gefragt, wann sie mich im Kloster besuchen kann.“

Und hat das Klosterleben den Vorstellungen entsprochen? Schwester Judith kann diese Frage nach 61 Jahren uneingeschränkt mit „Ja“ beantworten. Ihre Aufgaben, früher in der Landwirtschaft, wofür sie als Schwester eine Ausbildung absolviert hat, und dann seit 27 Jahren in der Verwaltung, hätten sie erfüllt. Und auch das Studium der Bibel bereite ihr immer wieder Freude. Um diese im Original lesen zu können, habe sie sogar Hebräisch gelernt: „Obwohl ich immer eine schlechte Schülerin war.“ Ihr Fazit: „Das Alter macht gelassener. Aber die wesentliche Sicht, dass Gott die Mitte sein muss, hat sich nicht geändert.“

Schwester Martha sagt ebenfalls „Ja“, hat aber im Gegensatz zu Schwester Judith eine schwere Krise durchlebt. Sie beschreibt dies als „Torschlusspanik“, etwas zu entscheiden, das für das ganze Leben gilt und dass man nicht mehr zurück kann. „Das hat mich in eine Depression gestürzt.“ Eine Psychotherapie, die ihr angeboten worden sei, und auch Gespräche mit der Äbtissin, hätten ihr geholfen. „Ich hatte auch noch viele Dinge aus meiner Kindheit zu verarbeiten.“ In dieser Phase habe sie gemerkt, „dass Gott mich trägt, wenn ich das Gefühl hatte, das ist alles zu schwer für mich.“ Dies habe ihr einen „ganz großen Schritt im Glauben“ ermöglicht. „Danach konnte ich ganz bewusst noch einmal,Ja’ sagen.“

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