Grefrath Als das Kloster zum Lazarett wurde

Auf dem Ehrenfeld des Friedhofes Mülhausen haben 98 Soldaten ihre letzte Ruhestätte. In einem Artikel für das Heimatbuch berichtet Alfred Knorr darüber.

Mülhausen. Jedes Jahr am Volkstrauertag lädt der Bürgermeister in Grefrath zu einer Gedenkfeier für die Gefallenen der Kriege nach Mülhausen ein. Der Grund: Auf dem Ehrenfeld des Friedhofs haben 98 Soldaten ihre letzte Ruhestätte. Diese waren schwer verwundet von der nahen Kriegsfront im Westen in das Lazarett Mülhausen gebracht worden, wo sie kurze Zeit später starben. Über das Lazarett und den Ehrenfriedhof hat Alfred Knorr im jüngsten Heimatbuch des Kreises Viersen einen Aufsatz verfasst.

„Das Lazarett befand sich keine 300 Meter vom Friedhof entfernt im Kloster der Schwestern ,Unserer Lieben Frau’, berichtet Knorr. Schon im Ersten Weltkrieg stand im heutigen Antoniushaus sowie in Teilen des Kindergartens ein Lazarett mit etwa 100 Plätzen zur Verfügung. Während des Zweiten Weltkrieges waren es mehr als 800.

Ab August 1941 wurden in Schule und Internat neun Stationen für Schwer- und Leichtverletzte eingerichtet. Die Gestapo übernahm die Verwaltung, die 80 Schwestern mussten das Kloster verlassen. Knorr: „28 Lazarett- sowie 20 Wirtschaftsschwestern durften bleiben. Das Säuglings- und Altmännerheim wurde weiter betrieben.“

Mit dem Anstieg der Verwundetenzahlen nahm auch die Zahl der Schwestern auf mehr als 100 zu. Sie wurden von etwa 60 Mitarbeitern unterstützt. Der Schulleiterin, Schwester M. Modesta Wand, gab die Gestapo das Amt der „Oberschwester im Lazarett“. Chefärzte waren Dr. Ascher und Dr. Trimborn. Pfarrer war Rudolf Ahlert, der als junger Kaplan 1925 die Seelsorge für die Schwestern übernommen hatte.

1943 gründete Prälat Ahlert mit 14 Verwundeten einen Soldatenchor, der die Messe in der Klosterkapelle mitgestaltete. Er bestand noch mehr als 60 Jahre nach Kriegsende fort, denn bis auf den Leiter Willi Sieben hatten alle den Krieg überlebt.

1942 wurden gut 800 Verwundete in Mülhausen versorgt. Als die Front immer näher rückte, stieg die Zahl der Sterbenden stark an. Insgesamt mussten im Jahr 1944 über 1000 Leicht- und Schwerverwundete versorgt werden. Als im Mai 1944 ein Bombenangriff auf das mit 200 meist 16-jährigen Jungen belegte Barackenlager in Wankum-Harzbeck stattfand, wurden viele von ihnen in Mülhausen eingeliefert.

Am 27. Februar 1945 wurde das Lazarett wegen der herannahenden Front geräumt. Die Verwundeten wurden auf die andere Rheinseite gebracht. Die Schwestern und weiteres Personal blieben mit zwei sterbenden Soldaten zurück. In der Nacht zum 2. März 1945 verließ auch der Gestapo-Verwalter mit seinem Auto, das wegen einer Panne an einem Rot-Kreuz-Wagen angehängt war, und einem Möbelwagen das Kloster. Alle Nahrungsmittel, Wäsche und Vorräte nahm er mit. Vier Schweine wurden noch schnell geschlachtet, das Klosterpferd wurde an ein Auto gebunden.

Alfred Knorr

Am 2. März 1945 besetzten amerikanische Truppen die Gebäude und nutzten sie vier Wochen als Hospital für ihre Verwundeten. 50 US-Ärzte und Verwaltungsoffiziere quartierten sich ein sowie 50 US-Rot-Kreuz-Schwestern. Dazu kamen noch etwa 200 Mann Personal. Im Innenhof und auf den Wegen bis tief in den Park hinein standen Panzer. Am Ostermorgen zog das Lazarett weiter. Zwei Krankenzimmer mit zumeist deutschen Verwundeten waren noch belegt. Sie blieben unter der Obhut zweier Ärzte noch fast eine Woche zurück, bis auch dieses Lazarett am 6. April 1945 auf die rechte Rheinseite verlegt wurde.

Ab August 1944 trafen immer mehr Transporte von Schwerstverwundeten in Mülhausen ein, von denen viele nicht überlebten. Deshalb richtete man im September ein Ehrenfeld auf dem Mülhausener Friedhof ein. Es wurden dort bis zur Aufhebung des Lazaretts 98 Soldaten beerdigt. Insgesamt starben im Lazarett 112 Verwundete. Zu Anfang wurden sie noch im Sarg bestattet, später wickelte man sie nur noch in Tücher. Das Durchschnittsalter aller Verstorbenen betrug 26 Jahre.

„1963 wurde das Ehrenfeld umgestaltet. Die Holzkreuze wurden durch 52 Steinkreuze ersetzt, auf denen auf der Vorderseite zumeist die Namen von zwei Soldaten eingemeißelt sind. Pfarrer Johannes Schaadt segnete das neu errichtete Hochkreuz aus Stein“, so Knorr. 1987 konnte der Ehrenfriedhof durch ein Ehrenmal ergänzt werden, auf dem in sieben Steintafeln die Namen von 19 Gefallenen des Ersten Weltkrieges sowie von 51 Gefallenen und Vermissten des Zweiten Weltkrieges aus Mülhausen eingemeißelt sind.

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